Die Landkarte ist nicht das Gebiet

Letzte Woche war ich auf einer Fortbildung und habe dort den NLP Coaching Practitioner absolviert. Dort bin ich auf einen Satz gestoßen, der vom Sprachphilosophen Alfred Korzybski stammt und die Entwicklung des NLP (=neurolinguistisches Programmieren) beeinflusst hat: Die Landkarte ist nicht das Gebiet. Damit ist gemeint, dass wir in unserem Kopf nicht „die Wirklichkeit“ vorfinden, sondern nur eine Repräsentation davon. Unsere Sinne nehmen bestimmte Informationen auf, aus denen unser Gehirn dann ein Bild der Realität konstruiert. Dieses Bild ist wie eine Landkarte, mit deren Hilfe wir uns in unserem Leben orientieren. Doch meist ist uns nicht bewusst, dass es sich dabei eben nur um eine Landkarte handelt, und nicht um das Gebiet selbst. Deswegen handeln wir auf unsere Landkarte bezogen statt auf die Wirklichkeit. Und je nachdem, wie unsere Landkarte gestrickt ist, welche Stärken und Schwächen sie hat, kommen wir mehr oder weniger gut in unserer Welt zurecht.

Faktoren, die unsere Landkarte beeinflussen

Richard Bandler, einer der Mitbegründer von NLP, hat sich intensiv damit beschäftigt, wie diese Landkarten von unserem Gehirn konstruiert werden, und festgestellt, dass verschiedene Faktoren darauf Einfluss nehmen. Jeder von uns nimmt Information auf eine andere Art und Weise auf, weil wir verschiedene Sinnessysteme bevorzugen. Auch wenn grundsätzlich jeder von uns alle Sinne benutzt, neigt der eine vielleicht mehr dazu, mehr Bilder abzuspeichern, der andere, sich auf Gehörtes zu konzentrieren, während der nächste vielleicht mit Körpergefühlen am meisten anfangen kann.

Auch die Kultur und vor allem die Sprache, in die wir hineingeboren werden, trägt viel zum Aussehen unserer Landkarte bei. Jede Sprache bietet einen anderen Rahmen, wie Begriffe repräsentiert und geordnet werden. Dadurch werden uns schon bestimmte Denkschubladen vorgegeben, ohne dass uns das bewusst wäre. Hinzu kommt noch die individuelle Biographie, z.B. in welcher Umgebung jemand aufgewachsen ist und welche Reize er dort aufnehmen konnte. Außerdem natürlich, was derjenige erlebt und welche Entscheidungen er daraufhin getroffen hat.

Einen weiteren Beitrag zu unserer Landkarte tragen unsere Informationsfilter bei. Wir nehmen pro Sekunde mehrere Millionen an Informationseinheiten unbewusst auf, von denen aber nur ungefähr sechs bis acht in unserem Bewusstsein landen. Hätten wir diese Filter nicht, wir würden an der Informationsflut irre werden. Hier liegen drei weitere Fehlerquellen: Aufgrund von Tilgung ist dem Bewusstsein sehr viel Information einfach nicht zugänglich. Durch Verzerrung nehmen wir bestimmte Dinge nicht realistisch wahr. Generalisierung ist für uns überlebenswichtig, ohne sie könnten wir keine Begriffe bilden. Wir wüssten dann beispielsweise nicht, ob etwas ein Stuhl ist, denn jeder Stuhl sieht anders aus. Doch auch durch sie geht wieder jede Menge an Differenzierungen und Detailinformationen verloren.

Wenn man sich all diese Faktoren bewusst macht, wundert man sich vielleicht, wie wir überhaupt miteinander kommunizieren können. Doch obwohl es große individuelle Unterschiede zwischen den einzelnen Landkarten gibt, haben wir uns kulturell auf bestimmte grundlegende Gemeinsamkeiten geeinigt, die wir alle für wahr und richtig halten, obwohl sie das nicht zwingend sind.

Jede Landkarte ist richtig!

Es gibt niemanden, der „die richtige“ Landkarte in sich trägt. Jeder von uns hat seine eigene, einzigartige Landkarte im Kopf, die gegenwärtig bestmögliche, um uns in unserem Leben zu orientieren. Wir Menschen kommen mit einem unausgereiften Gehirn auf die Welt. Das hat den Nachteil, dass wir nicht wie das Giraffenbaby bereits wenige Minuten nach der Geburt mit der Herde laufen können. Der Vorteil ist jedoch, dass unser Gehirn sich so die passende Landkarte zu den Lebensumständen, in die wir hineingeboren werden, aufbauen kann. Dadurch erhöht sich unsere Chance, unter verschiedensten Bedingungen zu überleben.

Wenn man mit anderen Menschen besser kommunizieren möchte, ist es also wichtig zu erkennen, wie die Landkarte des anderen gestrickt ist, um quasi in dessen Landkarte einsteigen zu können. Die meisten Menschen versuchen, anderen die eigene Landkarte aufzuzwingen. Das kann funktionieren, muss aber nicht und führt immer wieder zu zwischenmenschlichen Schwierigkeiten.

Eine weitere Konsequenz dieser Gedanken ist, dass, wenn wir unter etwas leiden, das also nicht zwingend an den äußeren Umständen liegt, sondern vielmehr an der Art, wie wir Information aufgrund unserer Landkarte verarbeiten. Probleme mit unserer Landkarte bekommen wir immer dann, wenn wir vor Schwierigkeiten gestellt werden, die unsere Landkarte nicht oder nur mangelhaft abdeckt. Dann stehen uns nicht genügend Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Die schlechte Nachricht ist demnach, dass wir niemals „die Realität“ im Kopf haben, sondern immer nur eine Landkarte als Repräsentation der Wirklichkeit. Die gute Nachricht ist, dass wir an unserer Landkarte jederzeit etwas ändern und uns dadurch neue Lösungsmöglichkeiten erschließen können. Dies macht uns innerlich frei.

Typisch hochsensible Landkarten

In Bezug auf Hochsensibilität haben diese Erkenntnisse weitreichende Konsequenzen. Hochsensibilität zeichnet sich ja dadurch aus, dass unsere Filter mehr Informationseinheiten durchlassen, mit der Folge, dass uns einerseits mehr ins Bewusstsein dringt, wir aber andererseits auch mehr Mühe haben, all das zu sortieren und deswegen leichter in einen Zustand der Reizüberflutung geraten.

Dieses Mehr an Information bewirkt, dass sich unsere Landkarten grundsätzlich von denen des Bevölkerungsdurchschnitts unterscheiden. Damit möchte ich nicht sagen, dass die Landkarten hochsensibler Menschen untereinander identisch wären. Sie sind genauso individuell verschieden wie bei allen anderen auch. Aber ich meine, dass Hochsensible einen bestimmten Landkartentyp in ihrem Kopf anlegen. (Welche gravierende Folgen ein solches Mehr an Information für das Wirklichkeitskonstrukt hat, kann man übrigens in meinem Blog-Artikel Das bildest du dir ein: Hochsensibilität und Wahrnehmung genauer nachlesen.)

Dies ist auch genau der Grund, warum es uns so gut tut, mit anderen Hochsensiblen in Kontakt zu treten. Aufgrund unseres Landkartentyps haben wir eine hohe Kompatibilität untereinander und können viel leichter miteinander kommunizieren, auch ohne dass man sich groß erklären muss. Da die meisten Menschen ihre Landkarte für das Gebiet und damit für „richtig“ halten, halten sie dementsprechend den Landkartentyp hochsensibler Menschen für „falsch“. Das bekommen wir dann auch am laufenden Band zurückgemeldet und fühlen uns am Ende auch tatsächlich „falsch“, zumindest solange uns diese Zusammenhänge noch nicht bewusst sind. Und daran wollte ich mit diesem Blog-Artikel etwas ändern. :-)

Mehr zu diesem Thema kann man bei Richard Bandler, Leitfaden zur Trance-Formation, Welver 2010 nachlesen. Auf Amazon ansehen*

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