Sofort mehr Ruhe: So hilft die Vagusnerv-Stimulation

Wenn du hochsensibel bist, kennst du es wahrscheinlich nur zu gut: Schon kleine Reize – ein lautes Geräusch, ein unausgesprochenes Gefühl in einem Raum, ein voller Tag – können dein Nervensystem an seine Grenzen bringen. Das liegt nicht an „Überempfindlichkeit“, sondern an einem fein eingestellten Wahrnehmungssystem, das mehr Informationen aufnimmt und intensiver verarbeitet. Für Hochsensible bedeutet das: Der Körper ist häufiger im „Alarmmodus“. Hier kommt der Vagusnerv ins Spiel – der zentrale Ruhe-Nerv deines Körpers. Er ist der wichtigste Bestandteil des parasympathischen Nervensystems und hilft dir, nach Stress wieder in Balance zu kommen. Eine gut regulierte Vagus-Aktivität unterstützt nicht nur Entspannung, sondern auch Verdauung, Herzrhythmus, Stimmung und emotionale Stabilität – all das, was Hochsensible oft besonders intensiv spüren. In diesem Blog-Artikel erfährst du, wie du deinen Vagusnerv sanft und natürlich stimulierst, um aus der Übererregung in einen Zustand von innerer Ruhe und Selbstverbundenheit zu kommen, in genau dem deine Sensibilität zu einer Stärke wird.

Was ist der Vagusnerv?

Der Vagusnerv – auch der „Ruhe- und Entspannungsnerv“ genannt – ist der längste Nerv des Parasympathikus, also des Teils unseres Nervensystems, der für unsere Regeneration und innere Ruhe zuständig ist. Sein Name kommt vom lateinischen vagus, was „umherschweifend“ bedeutet – und genau das tut er: Er zieht vom Gehirn durch Hals und Brust bis in den Bauchraum und verbindet dort viele wichtige Organe wie Herz, Lunge, Magen und Darm.

Wenn der Vagusnerv aktiv ist, verlangsamt sich der Herzschlag, die Atmung wird tiefer, die Verdauung setzt ein und der Körper signalisiert: „Alles ist gut, du bist sicher.“

Bei Hochsensiblen kann dieser Nerv leicht aus dem Gleichgewicht geraten, weil ihr System Reize intensiver verarbeitet. Umso wichtiger ist es, Wege zu finden, ihn regelmäßig zu aktivieren – um dein Nervensystem zu beruhigen und wieder in deinen eigenen Rhythmus zu kommen.

Vagusnerv-Stimulation über elektrische Geräte

Mortimer Gierthmühlen vom Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum forscht systematisch an der elektrischen Vagusnerv-Stimulation. 2023 führte er eine Studie durch, bei der Fatigue- und Long-Covid-Patient:innen mit dem tVNS-E Vagusnervstimulator behandelt wurden. Die Patient:innen trugen das Gerät für vier Stunden täglich und es kam zu einer spürbaren Verbesserung der Fatigue. 2024 behandelte er mit dem gleichen Gerät CMD-Patient:innen (cranio-mandibuläre Dysfunktion). Die Studie läuft noch.

Wenn Fatigue-Patient:innen geholfen werden kann, die wirklich eine fürchterliche Lebensqualität haben, finde ich das großartig, egal wie. Doch für die meisten Menschen sehe ich diese elektrische Stimulation des Vagusnervs kritisch, und zwar aus zwei Gründen:

  1. Das einzige verfügbare Gerät, dessen Wirkung wirklich über Studien nachgewiesen ist, ist der tVNS-E Vagusnervstimulator. Dieser ist mit derzeit 3500 Euro sehr teuer. Man kann ihn auch 180 Tage testen und zahlt dann „nur“ 1800 Euro, aber das ist ja immer noch eine ziemliche Investition.
  2. Die Elektrode des Vagusnerv-Stimulators wird am Ohr angebracht, die einzige Stelle, wo der Vagusnerv von außen erreichbar ist. Kurz nach dem Ohr verschwindet der Vagusnerv im Gehirn und kommt danach erst wieder aus dem Gehirn heraus. Die Erforschung der Vagusnerv-Stimulation steckt noch in den Kinderschuhen. Es ist nicht bekannt, welche Langzeitwirkungen im Gehirn auftreten können.

Aus den genannten Gründen würde ich der Mehrzahl der Menschen von einem solchen Gerät abraten. Deswegen werde ich in der Folge über drei ganz natürliche Methoden der Vagusnerv-Stimulation schreiben, die wissenschaftlich erforscht sind, sicher sind und super funktionieren.

Vagusnerv-Stimulation mithilfe des Tauchreflexes

Sylvain Laborde von der Sporthochschule Köln forscht daran, wie man Athleten mithilfe der Vagusnerv-Stimulation leistungsfähiger macht. Die Idee dahinter ist, dass der Schlüssel zu mehr Leistungsfähigkeit eben nicht allein im Training liegt, sondern vor allem darin, wie gut sich jemand im Anschluss erholt. Es ist also für unser Wohlbefinden viel weniger bedeutsam, wie groß die Belastungen sind, denen wir ausgesetzt sind, sondern vielmehr unsere Fähigkeit, uns davon zu regenerieren. Und diese können wir mithilfe der Vagusnerv-Stimulation erhöhen.

Dabei spielt der Tauchreflex eine große Rolle. Der Tauchreflex (auch Tauchreaktion genannt) ist eine uralte, automatische Schutzreaktion unseres Körpers, die bei Kontakt mit kaltem Wasser – besonders im Gesicht – aktiviert wird. Sobald kaltes Wasser auf die Haut rund um Augen, Nase oder Stirn trifft, reagiert der Körper mit einer sofortigen Verlangsamung des Herzschlags, einer tieferen, ruhigeren Atmung und einer verstärkten Aktivierung des Vagusnervs.

Diese Reaktion stammt ursprünglich aus der Evolution: Sie sollte uns helfen, beim Eintauchen ins Wasser Energie zu sparen und überlebenswichtige Funktionen zu schützen. Heute können wir den Tauchreflex gezielt nutzen, um unser Nervensystem zu beruhigen.

Es ist ganz einfach:

  • Nimm ein paar tiefe Atemzüge, um dich gut mit Sauerstoff zu versorgen.
  • Halte dann die Luft an und tauche dein Gesicht in eine Schüssel mit Eiswasser.
  • Schon ein paar Sekunden  reichen oft aus, um den Vagusnerv zu stimulieren – und so Stress, innere Unruhe oder Übererregung spürbar zu reduzieren.

Sylvain Laborde hat in stressigen Zeiten immer eine Schüssel Eiswasser auf dem Schreibtisch stehen. Mehr dazu in dieser Studie

Vagusnerv-Stimulation durch verlangsamtes Atmen

Die zweite Maßnahme, die Sylvain Laborde seinen Sportler:innen empfiehlt, ist die Vagusnerv-Stimulation durch verlangsamtes Atmen.

So geht es:

  • Atme 4 Sekunden ein und 6 Sekunden aus.
  • Mache das für einige Minuten.
  • Am besten funktioniert es im Liegen. Denn Sylvain Laborde hat herausgefunden, dass die Herzvariabilitätsrate, ein eindeutiges Maß für die Vagusaktivität, im Liegen am höchsten ist. Mehr dazu in dieser Studie

Ich nehme mir immer die Stoppuhr am Smartphone oder eine Uhr mit Sekundenanzeige zur Hand, bis ich den richtigen Rhythmus gefunden habe. Danach lege ich die Uhr zur Seite und fahre entspannt fort. Es ist erstaunlich, wie lang 4-6 Sekunden sein können! Wenn ich es ohne Uhr mache, atme ich meist zu schnell und dann funktioniert es nicht.

Vagusnerv-Stimulation mit dem kleinsten Entspannungsgerät der Welt, dem TJ Motion

Der TJ Motion besteht aus zwei kleinen Silikonteilen, die man zwischen die Backenzähne nimmt und dann den Mund schließt. Dadurch wird der Kiefer sanft gedehnt und nach vorne unten gezogen. Die eigentliche Anwendung des TJ Motion ist für CMD (cranio-mandibuläre Dysfunktion) gedacht, also massiven Kieferverspannungen, die sich durch Kopf- und Kieferschmerzen und Knirschen in der Nacht bemerkbar machen.

Doch sie haben einen erstaunlichen Nebeneffekt: Der Kaumuskel ist der stärkste Muskel, den wir am Körper haben. Er ist sehr stressanfällig und verspannt sich leicht, mit verheerenden Folgen für die gesamte Wirbelsäule. Entspannen wir unsere Kiefermuskulatur, tun wir etwas für den ganzen Körper. Dieser Entspannungseffekt von TJ Motion funktioniert laut Herstellerangabe über die Vagusnerv-Stimulation.

Ich selbst habe jahrzehntelang unter CMD gelitten, ohne dass mir jemand ernsthaft helfen konnte. Die herkömmlichen Knirscherschienen haben bei mir nicht funktioniert. Deswegen versuchte ich den TJ Motion und er war ein wichtiger Baustein, mit dessen Hilfe ich meine CMD auflösen konnte. Laut Herstellerangaben reicht es schon, den TJ Motion 3xtäglich für je 3 Minuten zu tragen. Ich trug ihn viel länger und nahm die Teile immer sofort in den Mund, wenn sich wieder etwas im Kiefer anspannte.

Das allein wäre ja schon sehr hilfreich gewesen. Doch der Nebeneffekt der Vagusnerv-Stimulation hat mir zusätzlich geholfen. Ich nahm die Teile in den Mund, wenn ich schlecht ein- oder durchschlafen konnte und es hat tatsächlich funktioniert. Am günstigsten findest du den TJ Motion hier*

Fazit: Meine Erfahrungen mit der Vagusnerv-Stimulation

Bis auf die elektrische Vagusnerv-Stimulation, die ich ja kritisch sehe (wie oben beschrieben), habe ich alle drei Methoden ausprobiert. Am besten funktioniert bei mir die Tauchreflex-Methode. Ich bin eine totale Wasserratte und schwimme für mein Leben gern. Urlaub ohne Wasser ist für mich kein Urlaub. Und jetzt weiß ich auch warum: Ich habe anscheinend einen ausgeprägten Tauchreflex!

Diese Methode macht mich sehr, sehr glücklich, da es sich anfühlt, wie wenn ich mir den Badesee in die herbstliche Küche mitnehmen kann. Ich wusste immer, dass ich mich im Sommer am besten erholen kann, aber es war mir nicht klar, dass das an dem kalten Wasser im Gesicht und dem Tauchreflex zu tun hat. Wie schön, dieses Erholungsgefühl jetzt auch in der kalten Jahreszeit erleben zu dürfen.

Die verlangsamte Atmung funktioniert bei mir auch, aber ich brauche relativ lange, bis der Vagusnerv anspringt. Ich vermute, es liegt daran, dass ich mit dem strikt vorgegebenen Atemrhythmus ein Problem habe – irgendwie setzt mich dieser unter Stress, was den entspannenden Effekt vermindert. So richtig gut klappt es nur, wenn ich vorher mein Gesicht ins Eiswasser getunkt habe und mich dann aufs Sofa lege. Dann wird der Tauchreflex-Effekt durch die verlangsamte Atmung verstärkt.

Der TJ Motion hat bei mir sehr gut funktioniert, solange meine CMD noch schlimm war. Je lockerer mein Kiefer wurde (auch durch andere Maßnahmen, die ich noch anwandte), umso weniger stark fiel die Vagusnerv-Stimulation aus. Aber ich bin trotzdem froh, den TJ Motion zu haben. Wenn ich im Ansatz merke, dass mein Kiefer wieder verspannt, nehme ich die Teile sofort in den Mund.

Probiere also einfach alles aus und teste, was dir guttut. Du bist es wert ein gutes, glückliches und entspanntes Leben als hochsensibler Mensch zu führen. Welche Methode funktioniert bei dir am besten? Ich freue mich über deinen Kommentar! 😍

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2 Gedanken zu „Sofort mehr Ruhe: So hilft die Vagusnerv-Stimulation“

  1. Liebe Anne-Barbara, ich habe erst vor kurzem deine Blogs und Beitraege für mich entdeckt und bin begeistert. So direkt wie du die HSP Thematik entmystifizierst ist herrlich und du gibst mir das Gefühl ein normaler vollwertiger Mensch zu sein – mit wunderbaren Eigenschaften. Du bist die erste Person, die echte konkrete Hilfestellungen und pragmatische Anleilungen für HSP bereitstellt, die helfen und sich auch umsetzen lassen. Ich bin dir von Herzen dankbar und bin sehr froh, dass es dich gibt und ich dich gefunden habe.

    Antworten
    • Liebe Frieda,

      vielen Dank für dein nettes Feedback zu meinem Blog, das mich sehr freut! 😍 Schön, dass du da bist. 💚

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

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