Hast du Asperger-Züge? Mache den Test!

Als ich 2012 mit meiner Arbeit als Coach begonnen habe, wusste ich noch nichts von Asperger. Damals ist mir nur aufgefallen, dass es seltsamerweise zwei Sorten von Klient*innen gab. Die eine Sorte waren hochsensible Menschen, die relativ unkompliziert waren. Es ging ihnen nicht gut mit ihrer Hochsensibilität und sie wollten lernen, wie sie besser damit umgehen können. Natürlich trugen sie auch teilweise schwer an belastenden Lebensereignissen, deren Folgen wir dann gemeinsam auflösten. Bei der anderen Sorte hochsensibler KlientInnen war die Lage deutlich schwieriger. Ihre Hochsensibilität war irgendwie XXL. Sie hatten oftmals schwere Mobbing-Erfahrungen machen müssen, fühlten sich extrem anders als andere und ihre Schwierigkeiten ließen sich häufig nicht aufgrund ihrer Biografie erklären. Da hochsensible Menschen normalerweise sozial eher überdurchschnittlich kompetent sind, was die erste Sorte, die ich beschrieben habe, auch durchweg zeigte, machten mich folgende Aussagen der zweiten Sorte stutzig:

  • Andere Menschen sind mir ein Rätsel.
  • Ich finde es schwierig, mich mit Leuten zu verbinden, obwohl mir Gemeinschaft extrem wichtig ist.
  • Ich möchte gern auf Menschen zugehen können, ohne mich für beziehungsunfähig zu halten.
  • Ich verstehe Dinge anders als sie gemeint sind und andere verstehen nicht, was ich meine.
  • Ich habe große Schwierigkeiten, mich anderen zu öffnen.
  • Ich bin sozial nicht integriert, weil mir Gespräche in Gesellschaft zu anstrengend sind.

Prinzipiell bin ich schon seit einigen Jahren mit dem Thema Asperger vertraut, weil jemand in meinem näheren Umfeld Asperger hat. Doch erstens ist dieser Mensch männlich, zweitens ein Computer- und Zahlen-Geek und ist damit drittens eine 100%ige Repräsentation des gängigen Asperger-Klischees. Die Frauen und Männer, mit denen ich es beruflich zu tun hatte und habe, sind anders. Sie interessieren sich für alles mögliche, aber nicht unbedingt für Zahlen, und sie sind zu 80% weiblich. Ende 2018 erzählte ich einer dieser Klientinnen zufällig von dem Asperger-Fall in meinem Umfeld. Sie wurde blass und ganz still und meinte: „Das habe ich auch.“

Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Sie hatte höchstwahrscheinlich recht! Mir wurde schlagartig klar, dass dies viele meiner Klient*innen betrifft und dass sich Asperger anscheinend bei Frauen deutlich anders äußert als bei Männern. Ich begann die Literatur zu wälzen und mein Verdacht bestätigte sich.

Was ist das Asperger-Syndrom?

Asperger ist eine Weise des Seins, die im Autismus-Spektrum verortet ist. Leider lassen sich die Symptome nicht so eindeutig beschreiben wie bei anderen psychischen Auffälligkeiten, z.B. einer Depression. Da gibt es ganz klare Kriterien, ab wann man von einer Depression spricht. Im Autismus-Spektrum ist das anders. Es handelt sich dabei um ein weites Feld ganz unterschiedlicher Menschen, das von schwer Behinderten über mittelschwere Fälle, die mit gewissen Einschränkungen auch allein leben können, bis hin zu fast unauffälligen Personen reicht. Und Asperger befindet sich am äußersten Rand dieses Spektrums an der Grenze zur Normalität.

Beim Asperger-Syndrom läuft das Gehirn unter einem grundsätzlich anderen Betriebssystem. Asperger*innen haben oft besondere Gaben, sind überdurchschnittlich intelligent und haben ausgeprägte Spezialinteressen, in denen sie richtig gut sein können. Typisch ist eine starke Detailwahrnehmung, was einerseits eine Stärke ist, aber auch Schwierigkeiten bereiten kann, das Große Ganze zu sehen.

Das Problem, das Asperger-Betroffene vor allem haben, ist, dass das menschliche Sozialverhalten beim „Asperger-Betriebssystem“ nicht „vorinstalliert“ ist: Sie kommen ohne angeborenes Sozialverhalten auf die Welt. Das heißt, dass Asperger*innen Sozialverhalten erst lernen und bewusst anwenden müssen, während neurotypische (d.h. die „normalen“ Menschen außerhalb des Spektrums) dies intuitiv beherrschen. Oft herrscht bei Asperger*innen eine große Diskrepanz zwischen der eigentlich hohen Intelligenz und der Fähigkeit, sich mit anderen zu verbinden und zu kommunizieren. Eine meiner Kursteilnehmerinnen beschreibt dies so:

Für mich fühlt sich Sozialverhalten wie ein großes, graues Etwas an, manchmal bin ich völlig orientierungslos und grüble darüber, was ich wohl richtig und falsch gemacht habe. Es ist nicht greifbar, rinnt wie Sand durch meine Hände. Irgendwie muss ich bei anderen „abgucken“ wie’s geht und frage mich, woher die das haben und warum gerade so oder wäre allein nicht auf die Idee gekommen, dass es so gehen könnte. Ich fühle mich hin und wieder komisch. Oder so, als gäbe es keine Schnittmenge, als würde ich an den anderen vorbei reden, während die einander zu verstehen scheinen. Verrückt. 

Ich bin sehr froh, dass sie mir gestattet hat, sie hier zu zitieren. Denn das beschreibt es sehr gut und macht es auch für Neurotypische verständlich, wie es sich anfühlt.

Bei schwacher Ausprägung ganz am äußersten Rand des Spektrums können Asperger*innen so gut in Sozialverhalten werden, dass sie fast gar nicht auffallen. Trotzdem leiden sie große innere Nöte, denn Sozialverhalten ist für sie sehr anstrengend und mit viel Reflexion und Selbstzweifeln verbunden. Sie werden niemals diagnostiziert, obwohl sie es womöglich ihr Leben lang sehr schwer haben und noch dazu absolut nicht wissen, was mit ihnen los ist.

Asperger ist oft mit extremer Hochsensibilität verbunden

Es gibt Asperger, die absolut nicht hochsensibel oder sogar untersensibel sind, z.B. was das Schmerzempfinden oder die Wärme- und Kälte-Wahrnehmung betrifft. Ich nehme aber an, dass alle Betroffenen, die diesen Artikel lesen, zu der Sorte von Aspergern gehören, die hochsensibel sind, sonst wärst du ja nicht auf dieser Seite gelandet.

Da das Gehirn von Asperger-Betroffenen sowohl geistig als auch emotional extrem hyperaktiv ist, kommt es oft vor, dass auch die Hochsensibilität sehr stark ausgeprägt ist. Dazu gehören Lichtempfindlichkeit, Geräuschempfindlichkeit und die Neigung, dass man sehr schnell reizüberflutet ist. Und wenn jetzt jemand eigentlich Asperger hat, aber so nah am Rand des Spektrums steht, dass er oder sie unauffällig bleibt und nie diagnostiziert wird, landet dieser Mensch automatisch in der Hochsensibilitäts-Szene, denn es gibt große Gemeinsamkeiten zwischen Hochsensiblen und Asperger*innen. Ich schätze, dass ca. 40% aller Hochsensiblen Asperger-Züge haben bzw. undiagnostizierte Asperger-Fälle sind.

Hochsensible Asperger*innen sind oft sehr empathisch

Es gibt ja das Klischee vom unempathischen Asperger, der nur um sich selbst kreist, und dieses Klischee wird bei den meisten Artikeln, die ich im Netz gelesen habe, immer wieder durchgekaut. Oftmals sagen mir Klient*innen, mit denen ich über meinen Asperger-Verdacht spreche: „Das kann nicht sein. Ich bin doch so empathisch.“ Bis jetzt ist mir noch niemand mit Asperger begegnet, der empathielos gewesen wäre. Meist handelt es sich dabei um eine Fehlinterpretation, die von Außenstehenden vorgenommen wird.

Ein Beispiel: Ich zeige jemandem mit Asperger ein Foto von einem kleinen Jungen beim Friseur mit angsterfülltem Gesicht, während der Friseur die Schere zückt. Der Asperger-Betroffene zeigt keine Empathie und meint: „Was hat der Junge denn, Haare schneiden tut doch nicht weh!“ Ich erkläre, dass der Junge nicht Angst vor Schmerz hat, sondern davor, dass zu viel Haare abgeschnitten werden. Antwortet der Asperger-Betroffene: „Ach so, der Arme!“ Sprich: Der Asperger-Betroffene hat erst keine Empathie gezeigt, weil er aufgrund seiner Schwierigkeiten, soziale Situationen richtig einzuschätzen, nicht verstanden hat, was los ist. Sobald der Groschen gefallen war, war er ganz normal empathisch.

Oder ein*e Asperger*in ist so extrem sensibel, dass er*sie das Leid anderer Leute einfach nicht ertragen kann, weil dies sofort zu extremer Reizüberflutung führt. In diesem Fall kann es sein, dass der*die Asperger*in sich vorübergehend abschirmt, um sich zu schützen. Später, wenn die Sache verarbeitet wurde, und sich dieser Mensch wieder öffnen kann, ist er*sie vielleicht sogar empathischer als andere. Nach meiner Erfahrung sind Asperger*innen genauso viel oder wenig empathisch wie alle anderen Menschen auch.

Asperger*innen können ausgeprägte Spezialinteressen in vielfältigen Bereichen haben

Der klassische Asperger-Typ, auf den auch die meisten Online-Tests und Fragebögen abzielen, ist der Zahlenfreak. Oft sind diese Menschen Computer-Geeks, Ingenieur*innen oder Wissenschaftler*innen. Doch die Spezialinteressen können sich auch in ganz anderen Bereichen abspielen. Ich kenne Asperger*innen, die sich für Spiritualität, Pädagogik, Psychologie, Sprachen, Sport, Malerei, Kunst, Schauspiel u.v.m. interessieren und es in diesen Bereichen zu einer ausgesprochenen Expertise gebracht haben, die sie sogar in ihrem Beruf erfolgreich sein lässt.

Es gibt aber auch Asperger*innen ohne ausgeprägte Spezialinteressen oder Begabungen. Bei ihnen bemerkt man häufig nur ein recht rigoroses Denken mit ausgeprägten Vorstellungen, wie etwas zu sein hat, und dass es Schwierigkeiten bis hin zu Wut bereitet, wenn Dinge und Menschen sich dann doch anders verhalten.

Asperger äußert sich bei Frauen anders

Aspergirls sind oft deutlich weniger auffällig als ihre männlichen Pendants. Das liegt zum einen daran, dass sie besser in Sozialverhalten sind und auch als Frauen einem höheren Druck, einer Rollenerwartung, stehen, dies zu lernen. So sieht es von außen oft so aus, als seien sie relativ normal, doch im inneren sind sie voller Selbstzweifel und überanstrengen sich in sozialen Situationen.

Zum anderen haben Aspergirls meist pragmatischere und lebensnahere Spezialinteressen. Wenn ein männlicher Asperger alle Straßenbahnhaltestellen seiner Stadt auswendig kann und auch noch stolz darauf ist, erscheint das neurotypischen Menschen reichlich sinnentleert. Er geht ihnen damit auf die Nerven und jeder merkt gleich, dass dieser Mann anders ist. Wenn aber Frauen z.B. Spezialinteressen wie Literatur, Sprachen oder Psychologie entwickeln, bewundert man sie dafür, wie tief sie sich in diese Gebiete hineinarbeiten und wie gut sie sich darin auskennen.

Übrigens kenne ich auch einige Männer, die diese eher weibliche Asperger-Ausprägung aufweisen. Sie haben als Spezialinteresse z.B. Psychologie und sind dadurch, ähnlich wie ihre weiblichen Pendants, sozial viel kompetenter und unauffälliger als andere Asperger-Betroffene. Doch im Inneren ist es bei ihnen genau das gleiche – sie sind in sozialen Situationen schnell überfordert und überanstrengt.

Hast du Asperger-Züge? Mache den Test!

Da so viele Hochsensible, mit denen ich zu tun habe, Asperger-Züge aufweisen, habe ich einige Testfragen entwickelt, die eine erste Einschätzung geben können. Natürlich ersetzen diese keine Diagnose, geben aber Hinweise darauf, ob bei deiner Hochsensibilität auch noch Asperger mitspielen könnte. Dieser Test ist auch für Frauen mit Asperger geeignet. Bitte beantworte dir in einem ruhigen Moment die folgenden Fragen:

  1. Fühlst du dich sehr anders als andere?
  2. Bist du dir oft unsicher, ob du dich in sozialen Situationen richtig verhalten hast und grübelst noch lange darüber nach?
  3. Fühlst du dich eher als Frau bzw. als Mann oder als Mensch?
  4. Hattest du als Kind viele Freunde und hast du normal mit ihnen gespielt?
  5. Wie leicht fällt es dir, Freunde/potenzielle Partner*innen zu finden?
  6. Machst du Dinge lieber allein oder mit anderen zusammen?
  7. Hast du ausgeprägte Spezialinteressen, in denen du ganz und gar aufgehst?
  8. Wie gut kannst du mit Veränderungen umgehen?
  9. Hast oder hattest du mit Essstörungen zu tun?
  10. Hast du Probleme mit Augenkontakt?

Die Auflösung zum Test der Asperger-Züge findest du unter dem Bild, das ich eingefügt habe, damit du erst einmal nur die Fragen siehst:

Die Auflösung

  1. Fühlst du dich sehr anders als andere?
    Ausschließlich Hochsensible antworten hier in etwa so: „Ich fühle mich schon anders als andere, aber nicht sehr anders.“ Menschen mit Asperger-Zügen antworten mit einem klaren „Ja“. Das liegt daran, dass hochsensible Menschen eben nur um einiges feinfühliger als andere sind, aber nicht grundsätzlich anders denken. Asperger*innen hingegen verfügen über ein vollkommen anderes Betriebssystem und ticken tatsächlich ziemlich anders als andere.
  2. Bist du dir oft unsicher, ob du dich in sozialen Situationen richtig verhalten hast und grübelst noch lange darüber nach?
    Wenn du diese Frage mit einem klaren „Ja“ beantwortest, kann das ein Asperger-Zug sein. Auch Hochsensible reflektieren ihr Verhalten und das anderer Menschen gründlich, kommen aber am Ende zu einem Schluss und sind sich dann auch sicher. Bei Hochsensiblen findet das aber nicht ständig, sondern eher in schwierigen, herausfordernden Situationen statt, während diese Unsicherheit bei Asperger*innen schon bei eigentlich alltäglichen Situationen auftritt.
  3. Fühlst du dich eher als Frau/Mann oder als Mensch?
    Ausschließlich hochsensible Frauen antworten hier klar „als Frau“. Hochsensible Männer fühlen sich auch eher in erster Linie als Mann, haben aber manchmal Hemmungen, dies vor sich und anderen zuzugeben. Denn nach der Feminismus-Bewegung und Me-Too hat Männlichkeit ein unmenschliches Image, sodass es Männern peinlich sein kann, sich als Mann zu fühlen. Asperger*innen antworten wie aus der Pistole geschossen „natürlich als Mensch“. Dies ist ein interessantes Phänomen, da die Geschlechterrollen ein erlerntes Sozialverhalten darstellen. Asperger*innen bekommen davon weniger mit oder entscheiden sich dagegen, wenn sie es mitbekommen. Sie sind das einzige Mädchen im Physik-Leistungskurs oder der einzige Junge, der sich mehr für Handarbeiten als für Werken interessiert etc. Viele Aspergerinnen sehen jungenhaft aus und legen keinen Wert auf Äußerlichkeiten. Kleidung und Haarschnitt müssen eher bequem und praktisch sein. Oder sie kleiden sich extravagant nach eigenen Vorstellungen, die nicht unbedingt etwas mit der Mode zu tun haben. Natürlich kann Mode auch ein Spezialinteresse von Aspergerinnen sein. In diesem Fall sind sie natürlich sehr modisch gekleidet. :-)
  4. Hattest du als Kind viele Freunde und hast du normal mit ihnen gespielt?
    Da können Hochsensible und Asperger*innen recht ähnlich antworten. Beiden kann es im Kindergarten zu laut und zu hektisch zugehen, sodass sie aufgrund von Reizüberflutung den Rückzug antreten. Wenn du aber klar sagen kannst, dass Du keine oder nur sehr wenige Freunde hattest und Schwierigkeiten, dich auf die „seltsamen“ Spiele der anderen Kinder einzulassen, ist das ein klarer Asperger-Zug.
  5. Wie leicht fällt es dir, Freunde/potenzielle Partner*innen zu finden?
    Asperger*innen antworten hier: „Sehr schwer.“ Hochsensible meinen, es sei nicht immer leicht, aber es geht.
  6. Machst du Dinge lieber allein oder mit anderen zusammen?
    Asperger*innen neigen dazu, Dinge lieber allein zu tun, während ausschließlich hochsensible diese Frage mit „mal so, mal so“ beantworten.
  7. Hast du ausgeprägte Spezialinteressen, in denen du ganz und gar aufgehst?
    Asperger antworten hier meist mit einem klaren „Ja“, ausschließlich Hochsensible eher mit nein.
  8. Wie gut kannst du mit Veränderungen umgehen?
    Asperger können schlecht mit Veränderungen umgehen. Wenn der Tag anders läuft als geplant, kann dies sogar zu Panikattacken führen. Auch die ersten Urlaubstage in einer fremden Umgebung, Umzüge oder neue Einrichtungsgegenstände können belastend sein. Hochsensible legen oft ebenfalls Wert auf einen geregelten Ablauf, sie können aber auch ausgesprochen spontan sein.
  9. Hast oder hattest du mit Essstörungen zu tun?
    Christine Preißmann schreibt in ihrem Buch Überraschend anders: Mädchen & Frauen mit Asperger*, dass jede 4. Essstörung eine Folge von Asperger ist. Wenn du diese Frage mit „ja“ beantwortet hast, hast du also eine 25%ige Wahrscheinlichkeit, betroffen zu sein. Solltest du auch bei einigen der übrigen Fragen Asperger-Züge an dir festgestellt haben, ist es gut möglich, dass du von Asperger betroffen bist.
  10. Hast du Probleme mit Augenkontakt?
    Bei Asperger gibt es zwei Varianten von Auffälligkeiten mit dem Augenkontakt:
    a) Den einen fällt es schwer, anderen in die Augen zu sehen. In der Folge meiden sie Augenkontakt. Das wird dann als unhöflich oder abweisend interpretiert. Mein Tipp: Vielen mit diesem Problem hilft es, wenn sie den Leuten einfach auf die Stirn schauen statt in die Augen. Das Gegenüber merkt das kaum. Meine Vermutung ist, dass Augenkontakt unangenehm ist, wenn man schlecht Mimik lesen kann. Dann ist dieser einfach nur reizüberflutend.
    b) Bei den anderen ist es so, dass sie einen sehr starren Blickkontakt halten, von dem andere sich bedrängt fühlen können. Wenn du also öfters gesagt bekommst, dass du starrst oder einen „zu intensiven“ Blick hättest, wäre das auch ein mögliches Asperger-Zeichen. Meine Vermutung ist, dass diejenigen, die starren, relativ gut im Mimiklesen sind, aber eben sehr genau hinsehen müssen.

Asperger-Züge – was nun?

Wenn dir durch diesen Blog-Artikel aufgefallen sein sollte, dass du Asperger-Züge hast und womöglich im Spektrum bist, würde ich dir raten, erst einmal mehr darüber zu lesen. Wenn du bereits erwachsen bist und nie jemand den Verdacht hatte, dass bei dir so etwas sein könnte, bist du wahrscheinlich nur sehr leicht betroffen. Das Problem mit allen Büchern, die ich dir unten empfehle, ist dann, dass in ihnen die volle Ausprägung der Symptomatik geschildert wird, die du wahrscheinlich nicht hast. Du wirst dann manchmal denken „Ja, das trifft voll auf mich zu“ und manchmal wieder „Nein, das kann nicht sein, so bin ich überhaupt nicht“. Trotzdem kann es sein, dass du Asperger-Züge hast und dass du sogar im Autismus-Spektrum bist. Denn deswegen heißt es eben „Autismus-Spektrum“, weil das Spektrum so breit ist. Und je näher du dich am Rand befindest, desto weniger ausgeprägt ist deine Symptomatik, und es können auch typische Symptome ganz fehlen. Zum Abgleich findest du hier noch einmal die Symptome der Hochsensibilität.

Es gibt Berge an Literatur zum Thema. Das Problem ist, dass Autismus noch immer ein Phänomen ist, das selbst von Psychologen schlecht verstanden wird, siehe den Abschnitt über Empathie oben, die Asperger*innen und AutistInnen oft zu Unrecht abgesprochen wird. Deswegen empfehle ich nur Bücher, die entweder von Betroffenen geschrieben wurden oder von Expert*innen, die Asperger*innen und Autist*innen gegenüber positiv und ressourcenorientiert eingestellt sind.

Wenn du dich in der Literatur wiederfindest, kannst du dir überlegen, ob du eine Diagnose haben möchtest. Viele brauchen das nicht. Es reicht ihnen, es für sich selbst zu wissen, sich selbst endlich besser zu verstehen und einige Stellschrauben im Leben zu ändern, um besser klar zu kommen. Wenn du starke Beeiträchtigungen und einen hohen Leidensdruck hast, kann eine Diagnose Sinn machen. Erstens bekommst du dann Therapien und weitere Unterstützung als Kassenleistung, zweitens kannst Du einen Behinderten-Ausweis beantragen, was Dir Erleichterungen auf der Arbeit und mehr Urlaubstage einbringt. Eine Diagnose hat aber auch Nachteile: Z.B. werden dich einige Versicherungen nicht mehr annehmen. Überlege dir also gut, was du tust.

Wenn du dich für eine Diagnose entscheidest, sind die Autismus-Ambulanzen der großen Uni-Kliniken und einige wenige speziell dafür ausgebildete Psychiater dafür zuständig. Gerade bei Frauen ist Asperger oft sehr schwer zu diagnostizieren, weil sie sozial um einiges komptetenter als ihre männlichen Pendants sind. Als Frau solltest du dir jemanden suchen, der in der Diagnostik von Erwachsenen und Frauen erfahren ist. Du kannst dich auch in Autismus-Therapiezentren und bei diversen Beratungsstellen über weitere Möglichkeiten beraten lassen. Adressen findest du hier:

Bundesverband Autismus Deutschland e.V.

Bitte sei sehr vorsichtig, wem du über deine Asperger-Züge erzählst. Ich würde zunächst nur mit engen Vertrauten darüber sprechen. Denn die meisten Leute haben völlig falsche Vorstellungen von Asperger. Du würdest mit hoher Wahrscheinlichkeit in einer falschen Schublade landen und eine Stigmatisierung davon tragen. Outen macht nur in den Fällen Sinn, wo die Auffälligkeiten und der Leidensdruck groß sind. Denn da kann man durch das Benennen des Phänomens auf mehr Rücksichtnahme hoffen.

Literaturempfehlungen

Ein sehr empfehlenswertes Grundlagenwerk, auch für Betroffene:

Das Asperger-Syndrom: Das erfolgreiche Praxis-Handbuch für Eltern und Therapeuten*

 

Viele Fallbeispiele auch von berühmten Persönlichkeiten, gibt einem ein gutes Feeling für das Thema:

Geniale Störung: Die geheime Geschichte des Autismus und warum wir Menschen brauchen, die anders denken (Taschenbücher)*

 

Weiblicher Asperger:

Aspergirls: Die Welt der Frauen und Mädchen mit Asperger*

 

Überraschend anders: Mädchen & Frauen mit Asperger*

 

Web-Artikel:

How our autistic ancestors played an important role in human evolution

Am Ende des unten verlinkten Artikels gibt es einige Links zu weiteren Artikeln, die alle ebenfalls hochinteressant sind. Dort erfährst du einiges über das andere „Betriebssystem“ bei Asperger und Autismus:

Autismus: Gehirn, Gehirnentwicklung

Wie sieht es bei dir aus, konntest du Asperger-Züge bei dir entdecken? Wie immer freue ich mich über deinen Kommentar! Ich würde dir bei diesem Thema aber raten, unter einem Nickname zu posten, damit niemand nachvollziehen kann, um wen es sich handelt.

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38 Gedanken zu „Hast du Asperger-Züge? Mache den Test!“

  1. Mein Ergebnis (7 von 9) überrascht mich überhaupt nicht. Seit ich von meiner HS weiß und einige HSPs kennengelernt habe war mir klar, dass ich mehr bin als „nur“ hs.
    Ich habe meine HS immer als Fluch und Behinderung empfunden und immer gedacht ich sollte einen Behindertenausweis haben und mehr Urlaub als meine Kollegen.
    Mein Leben lang habe ich still gelitten, versucht mich anzupassen, es allen Recht zu machen. Meine Eltern haben mich nie unterstützt, ich war immer allein. Der Preis dafür sind Depressionen, an denen ich bereits seit mehreren Jahren leide. Die Antidepressiva, die ich nehme, machen mich funktionsfähig aber glücklich bin ich nicht.

    Antworten
    • Liebe Cubelixa,

      vielen Dank für Deinen Bericht! Tut mir leid, dass es Dir nicht gut geht. Ja, genauso kenne ich es von Menschen, die eben mehr als „nur“ hs sind – es fühlt sich mehr als Fluch oder Behinderung an, ist einfach eine ganze Nummer heftiger. Und Depression ist eine ganz typische Folge-Erkrankung von Asperger, denn wenn man all die Jahre leidet und niemand einen versteht, kommt es leicht so weit. Viele Asperger sind wegen Depression in Behandlung und niemand erkennt die Ursache.

      Ich kann Dich aber ermutigen: Asperger ist nur richtig schlimm, wenn man noch nichts davon weiß. Du kannst über die Literatur einiges darüber erfahren, Du kannst Dich beraten lassen und Dir überlegen, ob eine Diagnose bei Dir Sinn macht und Du einen Behindertenausweis bekommst, Du kannst Gleichgesinnte treffen, die Dich verstehen und Du kannst noch einmal einige Stellschrauben in Deinem Leben verbessern.

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

    • Liebe Cubelixa,

      ich kenne Deine Gefühle, Deine Zeilen könnten meine sein. Zumindest noch vor einemhalben Jahr.
      Mut! Ich habe mich mit der HSP-Einordnung auch nur am Anfang wohl gefühlt – als ich überhaupt eine Möglichkeit hatte, mein „Anderssein“ mit einem Namen zu kleiden.
      Schwer war mir immer, wenn ich bspw. etwas zum „Aliengefühl“ lesen mußte – das taucht ja fast immer irgendwo auf.
      So ein Quatsch! Die anderen sind alle die Alien – wie sonst läßt sich ein so zerstörerisches, selbstsüchtiges Leben erklären?

      Weiter unten habe ich einen längeren Kommentar geschrieben. Vielleicht hilft es Dir, den Film „Adam“ zu sehen. Der Protagonist ist ein Mann, was es Dir sicher nicht sehr leicht macht, in seine Rolle zu schlüpfen. Der Charakter portraitiert jedoch ungemein gut, was in einem Asperger los ist. Und vor allem: WIE empatisch er ist. Das besonder ist hier nämlich, daß der Film genau dahingehend kritisiert wird: er ist zu Harmonisch. Denn erbedient das hier erwähnte Klische nicht.
      Schön, daß der Film genau mit diesem falschen Bild abrechnet!

      Wie lange bist Du mit der Idee des Asperger bei Dir verbunden? Ich kann nur von mir schreiben, aber je mehr sich eine echten „Einordnung“ ergab, um so geringer intensiv und lang verliefen meine depressiven Phasen. Wenn man lange und schwer depressiv war/ist, dauert das entwöhnen auch lang. Laß Dir Mut machen: Wenn Du 7/9 hast, dann fokussiere und gehe dem Thema richtig nach. Lese, ggf. siehst Du Dir auch „Ben X“ an, alles kann gelfen. Und die Depressionen werden weniger, wenn Du mehr Zutrauen in Deine Besonderheit hast!

      Wir sind nicht neurotypisch, aber unser Betriebssystem ist etwas abwärtskompatibel! Finde heraus, wie Deines läuft. Und vor allem: Laß‘ Dich nicht von denen ablenken, die nicht wissen, wovon sie sprechen. Jeder, der Dich als Arogant bezeichnet, bestätigt nur, daß Du es richtig machst!

      Alles Liebe
      Henry

  2. Danke, liebe Anne-Barbara, für diesen interessanten Quergedanken! Ich habe bereits einige Bücher zu beiden Themen gelesen, habe mich bei den Aspergern aber nur zum Teil wiedergefunden. Nun glaube ich allerdings, dass ich zu beiden Welten gehöre. Die Vermutung hatte ich schon länger, allerdings schienen sich die beiden bisher auszuschließen. Daher werde ich mich jetzt mehr auf die weibliche Seite konzentrieren.
    Vor ein paar Tagen habe ich die Diagnose HPU positiv bekommen. Nachdem ich mich näher mit diesem Thema befasst hatte, stellte sich mir die Frage, ob diese Stoffwechselstörung nicht die Ursache für meine HSP sein könnte. Viele der damit in Verbindung gebrachten Symptome (auch Migräne) und „Merkwürdigkeiten“, wie ich es gerne nenne, treffen auf mich zu.
    Vielleicht finden sich noch andere Betroffene mit dieser Kombination, sodass wir auf ganzheitlicher Ebene Unterstützung finden könnten.

    Antworten
    • Liebe Sunny,

      danke Dir für Dein nettes Feedback und den Hinweis zu HPU! Ich habe schon öfters Zuschriften von LeserInnen bekommen, die darunter leiden. Gerade habe ich einmal wegen der Symptome recherchiert und gefunden, dass es tatsächlich Parallelen zu Asperger und Hochsensibilität gibt. Wenn Deine Asperger-Züge daher kommen, müsste sich das eigentlich deutlich bessern, wenn Deine HPU behandelt wird. Aber auch für Asperger ohne HPU sind einige Symptome typisch, z.B. Magen-Darm-Beschwerden, Migräne, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, mangelnde Stressresistenz, Ängste, Lichtempfindlichkeit u.v.m. Ich wünsche Dir gute Besserung und dass die Behandlung bald anschlägt!

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

  3. Ich wußte es rein diagnostisch schon, weil ich durch einen befreundeten Aspi mal einen Test gemacht hatte und knapp unter der Grenzpunktezahl des Amtlichen Vollaspergerismus gelandet war. Aber die hier beschriebenen Symptome sind mal wieder ein Highlight!! :) Außerdem hatte ich mal mitten in ein Radio-Interview reingehört … jemand beschrieb gerade sein Erleben in Fußgängerzonen und ich dachte erfreut: „Ha! Endlich mal einer, der normal tickt!“, und dann lachte die Moderatorin über die Schilderung ihres Gastes, ‚ha, ha, das ist ja wirklich merkwürdig, ha, ha‘. Es war eine Sendung über Asperger, wie ich nachher vernahm.

    Bei Ihren Testfragen, Frau Kern, komme ich auch auf 9/10tel Zutreffendes.
    Was ich bisher noch nicht gesehen hatte, ist ein ZUSAMMENHANG von HS und Asperger. Interessant!

    Ich forsche zum Thema Zukunft und bin mir sicher, daß der zunehmende „weltweite Anstieg der Zahl autistischer Kinder“ (–kam vor kurzem im Radio) eines von vielen Zeichen der anstehenden nächsten genetischen Mutation (Weiterentwicklung) der Menschheit ist. Diese Kinder, ganz gewiß deren Kindeskinder werden nicht mehr anfällig sein für die ganzen emotionalen Wirrnisse, die unser endendes Zeitalter bestimmt haben. Es wird in zweihundert Jahren keinen Irrsinn durch den falschen Getrenntheitsglauben mehr geben, diese ganze ungesunde menschliche Unlogik und Unwahrheit – denen ich als HS und „Dreiviertelaspi“ jeden Tag und in jedem Alltag so verständnislos gegenüberstehe – weil dieser angstbasierte Teil der menschlichen Geschichte sich von alleine aus unserer DNA hinauslöschen wird. Es wird endlich Freiheit sein, Kreativität, das menschliche Potential wird freiwerden können, und das Wissen ums All-Einssein wird kollektiv und selbstverständlich sein … Na ja, und so fort, ich lese gerade darüber und freue mich nun hier:

    ES IST KEINE BENACHTEILIGUNG ODER BEHINDERUNG – ES IST DAS ZEICHEN, DASS EINE NEUE WELT UNTERWEGS IST! *yappi-dappi-duh!!!* :D

    Vielen Dank für den Artikel, Frau Kern.

    Antworten
    • Liebe Selja,

      vielen Dank für Ihren bewegenden Bericht und Ihr nettes Feedback, das mich sehr freut! Ja, neulich hat mir jemand, der regelmäßig in eine Asperger-Selbsthilfegruppe geht, erzählt, dass es schön sei, endlich einmal unter „normalen“ Menschen zu sein. :-) Normal ist eben relativ und vor allem auch kontextabhängig. Ich sehe Asperger wie Sie als eine Weise des Seins an, die genauso ihre Berechtigung hat wie alle anderen Weisen des Seins auch. Das Phänomen gehört zur menschlichen Diversität dazu und spielt auch evolutionär gesehen eine wichtige Rolle.

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

    • Liebe Selja,

      HS und Asperger gehören ganz klar zusammen. Möglicherweise ist die isolierte Betrachtung HSP irgendwann ebenso überholt, wie die empathielosen Autisten. HSP als Merkmal des Autismus-Spektrum oder von PTBS nur mal als Gedanke…

      Bezogen auf Deine Schlussfolgerung zum Anstieg der autistischen Kinder (= Anspielung auf Indigo-Kinder?):
      Jedwede Veränderung hat in der Geschichte der Menschheit nicht durch Gruppen oder Massen seinen Anfang, sondern durch Persönlichkeiten. Uns fehlen Aufzeichungen aus dieser Zeit… aber schon aus der Logik heraus ergibt sich das. Und in der neueren Zeit sei nur Steve Jobs erwähnt.

      Die Natur ist perfekt selbstregulierend, jeden Unfug den wir Menschen machen, regelt das System irgendwie nach. Gut, viele Tierarten sind verloren und das wird so bleiben. Aber vielleicht ist das auch genau der Grund für den Anstieg der Autisten: Nur die können Lösungen finden und vor allen auch: Jene haben den andern Blick, den um das Detail! Und die Performance, die Gehirnleistung…

      Nicht die Herde lößt das aktuelle Drama in allen Dimensionen hier auf der Erde, es werden die Autisten sein!

    • Lieber Henry,

      danke für das Teilen Deiner Gedanken! Zwei Dinge möchte ich noch anmerken: Nach meiner Erfahrung ist Hochsensibilität klar von Asperger abgegrenzt, weil bei ausschließlich Hochsensiblen die sozialen Fähigkeiten angeboren sind. Es gibt noch einen weiteren Test, den ich routinemäßig mit meinen KlientInnen durchführe, wo man den Leuten Bilder mit kleinen sozialen Szenen zeigt und schaut, wie sie diese lesen. Da sind rein Hochsensible spitzenmäßig gut, weil sie die Szenen intuitiv erfassen und sofort richtig deuten können, während die Asperger-Betroffenen da länger überlegen müssen und je nach Stärke der Betroffenheit sogar nur lückenhafte oder ganz falsche Deutungen vornehmen. Von daher kann man ganz klar sagen, dass nur die AspergerInnen unter den Hochsensiblen diesen Schwachpunkt im sozialen Umgang haben.

      Und da bin ich auch gleich schon beim zweiten Punkt: Natürlich können AspergerInnen mit ihren oftmals herausragenden Talenten einen wichtigen Beitrag zur Lösung der Probleme der heutigen Zeit leisten. Aber es geht nur, wenn alle Menschen, egal wie auch immer geartet, zusammen arbeiten.

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

  4. Liebe Anne-Barbara,

    danke für diesen Artikel – ich habe ihn schon lange erwartet! Seit Du mich auf diese Fährte brachtest (den Pfad hatte ich schon etwas begangen, dann aber abgebogen, weil mir zu viel schulmedizische Präferenzen eine Zugehörigkeit zum Spektrum ganz klar nicht zuließen). Deine Ausführungen seinerzeit sorgten dann für nochmalige Bewegung. Seither befasse ich mich sehr intensiv damit und bin um so mehr im Sinne anderer dankbar, daß Du nun hier zu Deinen Erkenntnissen und Erfahrungen schreibst.

    Ganz wichtig ist u.a. der erste Absatz unter „Hochsensible AspergerInnen sind oft sehr empathisch“. Hier würde ich lieber verschärfen:
    Die jahrzehntelang überlebte (blinde) Theorie, Asperger oder generell Autisten seihen nicht empathiefähig stammt aus der einseitigen medizinischen Bewertung. Denn wenn sich jemand nicht neorotypisch verhält, wurde das (und wird das) als Krankheit und als Defizit bewertet. Ende der Diagnose.

    Genau diese angebliche „Empathielosigkeit“ hat auch mir den Zugang zur Idee des Asperger oder Autismus-Spektrum wiederholt verwehrt. Denn es fehlte selbst bei der „Aspie-Idee“ mir persönlich die Empathie-Komponente.

    Wie geht es weiter, was war die Lösung?

    Zum rechten Zeitpunkt (nachdem ich zum zweiten Mal das Asperger-Thema zur Seite gelegt hatte) wurde ich durch das Buch „Der Junge der zu viel fühlte“ elektrisiert. Ja es war wie das vor längerem erwähnte Ent… – vor mir brach eine Welt auf.

    In dem autobiografischen Buch wird die bis dato gängige Theorie der Empathielosigkeit et acta gelegt und es erklärt uns, wir das Gehirn von Autisten fnktioniert. Ich halte es für eines – wenn nich das wichtigste Buch – um nicht nur Zugang zum Thema zu bekommen sondern vor allem auch: das „Klische“ als falsch zu erkennen und je nach persönlicher Situation auch besser aufgestellt zu sein.

    Wie Du weiter schreibst, ist die Literatur sehr differenziert nützlich. Zu den schon genannten Quellen gehören zwei weitere unbedingt (weil sie auch Angehörigen helfen können, die andere Erlebensweise im Ansatz verstehen zu können).
    „Alle anderen sind komisch“ – aus der Sicht einen Kindes, sehr einfühlsam und unbedingt auch für Kinder geeignet, wo eine Asperger-Nähe angezeigt ist
    „Buntschatten und Fledermäuse“ – die Geschichte handelt vom Kleinkind bis zur Uni… hier beeindruckt mich persönlich, wie tief die Gefühlsbeschreibungen gehen.

    Wer sich anhand des kleinen Test noch mehr Sicherheit vor einer Diagnose wünscht oder eine Diagnose übergehen will, aber unschlüssig ist: Mit diesen drei Büchern dürfte jeder Zweifel für Ja oder Nein aus der Welt sein.

    Ich unterbreche hier mal, ein Kommentar sollte nicht den Originaltext an Wortzahl übertreffen…

    Nur eines noch, weil Du oben noch eine weitere sehr bedeutende Feinheit beschrieben hast
    „Typisch ist eine starke Detailwahrnehmung, was einerseits eine Stärke ist, aber auch Schwierigkeiten bereiten kann, das Große Ganze zu sehen.“
    Das scheint auch aus meiner Sicht eine Abgrenzung zur HS sein zu dürfen.

    Ich sehe viel öfter einen Stamm mit Ästen, mit Zweigen und Tausenden Blättern. Andere sehen einen Baum. Es kann schwer sein, „nur“ einen Baum zu sehen.

    Herzliche Grüße an Dich, Anne-Barbara.
    Ganz lieben Dank!

    Und an allen andere, die sich auf dem Weg der Differenzierung zwischen HSP und Autismus-Ssprektrum befinden: Mut, es gehört viel Mut dazu, diesen Weg zu gehen! Vor allem vergiß die Meinung derer, die über etwas Urteilen, was nicht geht. Weil ihr Gehirn anders arbeitet, haben sie KEINE Vorstellung.
    Und sie haben noch viel weniger eine Vorstellung davon wie es ist, sich imer anders zu fühlen und doch so gern auch mal „einfach sein“ zu dürfen.

    Antworten
    • Lieber Henry,

      hey, wie schön, von Dir zu lesen und vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar, Deine wertvollen Ergänzungen und Dein nettes Feedback, über das ich mich sehr freue! Ja, ich habe lange gewartet, bis ich diesen Artikel geschrieben habe. Das Thema ist mir einfach so wichtig, dass ich mich erst hundertprozentig sicher fühlen wollte. Wow, freut mich total, dass Du Dich inzwischen mit diesem Aspekt Deines Seins anfreunden konntest und Dich so intensiv damit beschäftigst!

      Danke auch für Deine Buchtipps. „Der Junge, der zu viel fühlte“ kenne ich auch, hatte mir überlegt, ob ich dieses Buch im Artikel verlinke. Es ist aber so, dass das, was der Autismus-Forscher Henry Markram anhand von autistischen Ratten über das autistische Gehirn herausgefunden hat, inzwischen durch die modernen bildgebenden Verfahren schon wieder überholt ist, weil man die Unterschiede jetzt direkt im menschlichen Gehirn sehen kann. Deswegen habe ich oben lieber den Web-Artikel verlinkt. Trotzdem bleibt das Buch eine schöne Geschichte, weil es eben um Henry Markrams Sohn und damit um eine echte Person und eine echte Familie geht und die Sache dadurch sehr anschaulich wird.

      Du hast recht, es braucht einiges an Mut, um diesen Weg zu gehen. Aber letztlich ist die Wahrheit immer unser Freund. Auch wenn es manchmal weh tut, ist sie doch das einzige, was wir haben, der Urgrund, auf dem wir weitergehen und uns entwickeln können. Und genau deshalb lohnt es sich auch sehr, diesen Weg zu gehen. Schön, dass Du diesen Mut hast und auch andere ermutigst.

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

  5. Vielen Dank für diesen Artikel. Ich beschäftige mich seit ein paar Wochen intensiver mit dem Thema Asperger und Austismus Spektrum. Über den Hinweis in eienr HSP Gruppe habe ich mir YouTube Videos angesehen und gemerkt, dass es in einigen Bereichen serh starke Überschneidungen gibt. Das hat mich sehr neugierig gemacht. Ich weiß schon ziemlich lange, dass ich hochsensibel bin und habe auch zwei hs Töchter. Dann habe ich vor einigen Jahren entdeckt, dass ich auch Scanner bin und das war auch schon mal eine erleichterung und hat mir geholfen mich besser zu verstehen und anzunehmen. Durch die Videos und was ich dazub gelesen habe, sehe ich nun, dass es Verhaltensweisen gibt, die Asperger Autiten oder Personen im Spektrum haben. ich selbst wäre nie auf die Idee gekommen, dass ich dazugehören könnte und die Selbsttests, die amn so im Netz finden zeigen es auch nicht. Es gibt aber einiges was mir absolut die Augen geöffnet hat und deswegen suche ich nun nach mehr erklärungen zu Gemeinsamkeiten, Abgrenzungen oder auch Überschneidungen. Ich bin zB super Geräuschempfindlich, die Klimaanlage im Auto voll aufgedreht führt sofort zu Kopfschmerzen. Wenn Musik läuft und dann noch jemand redet, kann ich das auch nicht aushalten. Große Städte, große Kaufhäuser, unbekannte Supermärkze überfordern mich. Natürlich finde ich mich irgendwie zurecht und funktioniere nach außen hin, aber es ist ein enormer Stress für mich und danach brauche ich sehr viel Ruhe. Ein weiterer Bereich sind Veränderungen, damit komme ich teilweise noch schwerer zurecht. Ich bin fürher sehr viel umgezogen und habe wahrscheinlich deshalb einiges an Übung aber es stresst mich total, wenn ich was verändern muss: Ärzte, Friseur, Geschäfte,.. ich brauche mindestens 1 meistend 3 Jahre um mich wieder einzugewöhnen. Irgendwo hinzufahren, wo ich noch nie war geht erst einigermaßen seit es Navis gibt. Mit einem fremden Auto zu fahren geht wirklich nur in Ausnahmefällen. Letztes Jahr sollte ich vom Autohaus aus Probefahren mit dem neuen Auto, geliche Marke (was anderes geht sowieso gar nicht, auch beim Handy) da hatte ich, aus heutiger Sicht, einen shutdown, es ging gar nichts mehr. Am Ende habe ich noch Migräne bekommen. Ich mag es auch nicht, wenn der Kaffe falsch gemacht wird, also erst der Kaffee in den Becher und dann die aufgeschäumte Milch darauf. Meinem Mann ist das sowas von egal, aber mir stellen sich die Nackenhaare auf, es fühlt sich nur noch falsch an und es schmeckt mir dann auch nicht. Das sind jetzt mal so einige krasse Beispiele, die mir in den letzten Tagen bewusst geworden sind. Beim Lesen auf dieser Seite auch noch der Urlaubsort. Wir fahren immer in den selben Ort, immer die selbe Wohnung. Seit letztem Jahr wird sie nicht mehr vermietet. Der erste Tag im Nachbarort war eine Katastrophe. Heute sehe ich das in einem anderen Licht. Ich werte das Ganze mal vorsichtig so, dass ich wahrscheinlich autistische Züge in bestimmten Bereichen habe. Jetzt bin ich mir noch nicht ganz klar, wie ich damit umgehen soll.
    Michelle

    Antworten
    • Liebe Michelle,

      vielen Dank für Deinen Bericht! Es klingt tatsächlich so, als hättest Du ein paar Asperger-Züge an Dir entdeckt, als würde da einiges über die reine Hochsensibilität hinausgehen, besonders, was Du über Veränderungen schreibst und dass Dir diese nicht leicht fallen. Wichtig ist jetzt, Dich ganz und gar so anzunehmen wie Du bist, und auf Deine besonderen Bedürfnisse bewusst Rücksicht zu nehmen. Du hast jetzt die Möglichkeit, noch besser zu verstehen, was mit Dir los ist und noch einmal einiges an Feintuning in Deinem Leben vorzunehmen. Ich hoffe, das hilft Dir erst einmal weiter! Und wenn Du magst:

      Gratiscoaching

      Da könnte ich Dir noch mehr sagen.

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

  6. Ich beantworte jede dieser Fragen wie ein Asperger.

    Ich (männlich, 40), hatte mein Leben lang grosse Schwierigkeiten, Kindergarten verweigerte ich schon mit aller Kraft, ab der Schule ging das nicht mehr, von da an ging es langsam abwärts, aber nie hat mich jemand verstanden, früher nicht die Eltern und bisher nicht ganz die Ärzte. Schule, Lehre, Arbeit, alles irgendwie geschafft, aber wusste eigentlich nie, was ich erreichen wollte. Praktisch nichts von dem, was so im Angebot war, aber irgendwie muss man ja Geld verdienen.

    Ein Leben lang mich wie ein Ausserirdischer zu fühlen, depressiv und voller Ängste, (Ein-)Schlafschwierigkeiten, Stuhlgangsprobleme, Schmerzen, Essstörung kann kein Obst essen, Salat/Gemüse erst recht nicht, mir ist/war immer völlig unvorstellbar, wie man sowas essen kann, ich kann nicht mal einen Mc. Donald Hamburger essen, wenn Gurke und Zwiebeln drin sind, habe da also eine totale NULL-Toleranz. Auch mein Geruchssinn ist offensichtlich anders, da wollte mir doch schon mehrfach jemand erzählen, z. B. eine Gurke hätte fast keinen Geruch. Bitte was??? Ich rieche eine aufgeschnittene Gurke aus mehreren Metern Entfernung und, für mich ist das kein „Geruch“, sondern ein bestialischer Gestank, der sogar Würgereiz auslösen kann, usw…

    Mittlerweile seit vielen Jahren chronische Schmerzen, deshalb jetzt schon länger arbeitsunfähig, höre auch das sog. „Brummtonphänomen“, was mir auch noch den Schlaf raubt, aber sonst hörts keiner. Hab schon wieder Horror vorm nächsten Winter, denn da wird das noch um ein vielfaches lauter (Nein es ist leider nicht die Heizung, wurde schon alles überprüft, testweise abgeschaltet…).

    War schon in psychischer Behandlung, da wurde mir Depression und soziale Phobie bescheinigt. Wusste aber immer, dass es mehr ist. Dann sah ich vor wenigen Jahren ganz zufällig einen Fernsehbeitrag über HSP und sah mich sofort wieder in dem, was Betroffene da erzählten von Reizüberflutung, alles um einen herum nicht wegblenden zu können, alles hämmert auf einen ein, usw.

    Jetzt bin ich 40 Jahre alt, eigentlich völlig fertig, alles sieht danach aus, dass ich meine Arbeit im lauten Industriebetrieb nicht wieder aufnehmen kann und hörte von einem Krankenkassenmitarbeiter, dass sich mein Fall mit Fällen von Asperger-Patienten deckt, mit denen er zu tun hatte.

    Eine Psychiaterin mit Erfahrung damit wurde mir empfohlen, aber da werde ich als Neupatient nicht einmal angenommen, bei der Kollegin, bei der ich nicht weiß, ob sie da auch erfahren ist, wäre mir ein Termin 2022 angeboten worden. Nächstes Problem, denn jeder solche Anruf, den ich tätigen muss, raubt mir fast die Energie für einen ganzen Tag…

    Bin seit einem halben Jahr im Krankenstand, kann nicht mehr zurück, habe mich die letzten Jahre nur noch mit massig Ibuprofen durchschummeln können, in der Freizeit hatte ich für nichts Kraft oder Lust mehr, war die ganzen Wochenenden nur saftlos und müde und wollte bzw. will gar niemanden mehr sehen. Wenn ich mich in meinen Job wieder eingliedern lassen würde, weiß ich dass es nur immer noch schlimmer werden würde, bis ich das letzte bisschen Lebenswillen verloren habe.

    Ich weiß aber auch nicht, wie es weitergehen soll, der med. Dienst der Krankenkasse machte schon Druck, weiß nicht weiter, was ich tun soll, kann auch keine Umschulung machen, mich interessiert einfach nichts und selbst wenn, müsste ich mich wieder von Menschen umgeben lassen, das konnte ich ja noch nie wirklich ertragen und ich meine heute ist es noch schlimmer, als es mal war.

    Aber nachdem ich mich jetzt nach dem Gespräch mit dem Herrn der Krankenkasse ausfühlicher über das Asperger-Syndrom, bzw. Autismus beschäftigt habe, und praktisch bei jedem auffindbaren Test im Internet rauskommt, dass eine Diagnose im Autismus-Spektrum sehr wahrscheinlich wäre, kann ich schon ein bisschen mehr verstehen, warum ich so anders bin und mich keiner verstehen kann.

    Das hilft mir zwar nicht weiter mit meiner Situation wegen meinem Zustand, Arbeit, Krankengeld, und nicht zu wissen, wie es weitergehen soll, aber dennoch hilfreich, mehr verstehen zu können.

    Antworten
    • Hallo Flo,

      vielen Dank für Deine Offenheit und Deinen ausführlichen Bericht, in dem so vieles aufscheint, was für nicht diagnostizierte Asperger typisch ist! Tut mir leid, dass Du es damit gar nicht leicht hast. Die Autismus-Ambulanzen sind alle total überfüllt, man muss über ein Jahr auf einen Termin warten. Das macht es Betroffenen wie Dir, die eigentlich dringend Unterstützung brauchen, nicht leicht. Was ich Dir empfehlen kann, sind private Institute, z.B. dieses:

      http://www.autismus-langen.de

      Dort muss man die Diagnose zwar erst einmal selbst bezahlen, es gibt aber Möglichkeiten, sich den Betrag über soziale Einrichtungen zurückerstatten zu lassen. Die Wartezeiten für Diagnose und Therapie sind dort moderat. Vielleicht hilft Dir das weiter. Tut mir leid, dass ich keine besseren Nachrichten für Dich habe. Ich denke an Dich und drücke Dir die Daumen, dass Du einen Weg findest.

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

  7. Ich wurde von einem Psychiater auf Sensitivität hingewiesen. Bei meiner Recherche traf ich auf deinen Artikel. Ich vermute schon mein Leben lang, dass irgendwas mit mir nicht stimmt. Fühle mich „behindert“… Interessant, dass ich bei meiner Recherche direkt wieder auf Asperger traf. Jeder Arzt diagnostiziert etwas anderes und niemand scheint zu wissen, was mit mir nicht stimmt. Habe schon etliche Tests gemacht, die alle auf Asperger hinweisen. Deine Fragen konnte ich ebenso nur so beantworten, dass ich mehr im Spektrum bin als woanders… Danke für den super Input. Beim nächsten Mal spreche ich den Arzt darauf an. Dieses ewige Hin und Her mit Diagnosen und Medikamenten (die alle nichts bringen), fängt an zu nerven

    Antworten
    • Liebe Leni,

      vielen Dank für Dein nettes Feedback, freut mich, dass mein Artikel Dich weiter bringt! Es scheint ja vieles daraufhin zu deuten, dass Du im Spektrum bist. Leider können die meisten Psychiater und Psychologen das nicht diagnostizieren. Ich würde Deinen Arzt aber tatsächlich direkt daraufhin ansprechen, um weitere Schritte zu beraten. Eine richtige Diagnose gibt es nur bei wenigen speziell dafür ausgebildeten Psychiatern und bei den Autismus-Ambulanzen der Unikliniken (mit langen Wartelisten…). Ich wünsche Dir, dass Du Deinen Weg findest!

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

  8. Auf die Idee, mich mit Asperger zu beschäftigen hat mich eine Mitpatientin in einer Klinik gebracht, die zu mir gesagt hat:“ Du bist eine hochbegabte Asberger!“ Erst musste ich lachen, ich bin 51 habe ADHS, kPTSB und bin halt extrem hochsensibel und kein Asperger und ausserdem bin ich Krankenschwester, sowas kann ich nicht haben. Jemehr ich mich belesen habe, umsomehr kam ich ich schlucken, sogar bei den Fragen oben habe ich nur eine mit ja beantwortet, ich bin eine Frau, bin verheiratet und habe 3 Kinder.
    Ich habe mich immer gewundert, dass keiner verstanden hat, dass ich so gern Fachbücher lese und viele Dinge weiß, Klugscheißer halt, ein bißchen hatte ich bemerkt, dass ich anders bin, nur habe ich das immer auf meine Mobbingopfererfahrung geschoben. Nun bin ich am überlegen, ob das Mobbing die Folge meines Anderssein war und nicht umgekehrt. Ich war als Kind vielleicht komisch, meine Kinderbücher waren damals auch Lexika oder kindgerechte Fachbücher.
    Nur ob ich mir den Stress mit der Diagnostik antue, weiß ich nicht, eher nein, da es nur wenige Therapeuten gibt, die sich damit auskennen.

    Antworten
    • Liebe Ines,

      vielen Dank für Deinen Bericht! Wenn Du bei meinen Fragen nur eine in Richtung Asperger beantwortet hast, halte ich es für unwahrscheinlich, dass Du das Asperger-Syndrom hast. Möglich, dass bei Dir ausschließlich Hochsensibilität und eine Hochbegabung vorliegt. Hochbegabte haben auch ausgeprägte Spezialinteressen, werden oft nicht verstanden, als „Klugscheißer“ betitelt und gemobbt. Eine Diagnose würde ich nur anstreben, wenn es bei Dir mehr Hinweise auf das Asperger-Syndrom gäbe und wenn Du Vorteile von einer Diagnose hättest, z.B. einen Behindertenausweis bräuchtest, wonach es in Deinem Fall gar nicht klingt. Von daher würde ich Dir raten, Dich einmal mit der Problematik der Hochbegabung zu beschäftigen und zu sehen, ob Du Dich da eher wiederfindest.

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

  9. Hallo liebe Frau Kern,
    vielen Dank für diesen Bericht, ich (28 Jahre, weiblich) kann mich darin wiederfinden. Die o.g. Fragen beantworte ich alle wie ein Aspie außer das mit der Essstörung, wobei mir alles eigentlich gleich auf den Magen schlägt.
    Das Asperger-Syndrom ist mir schon seit vielen Jahren einen Begriff, weil wir es grob in der Schule durchgenommen haben. Damals schon konnte ich mich damit in einigen Bereichen identifizieren, aber nicht ganz. Denn leider wurde hierbei aber auch das Bild des emotionslosen Computer-Zahlen-Freaks vermittelt (wobei ich Zahlen auch faszinierend finde), und ich dachte genau den Satz, den Sie beschrieben haben: „Das kann doch nicht sein bei mir, ich bin doch so empathisch bzw. emotional.“ Ich vergaß dann das Thema für viele Jahre wieder.
    Dass ich aber irgendwie schon immer anders war, wusste ich, nur hatte ich diese Eigenheiten von mir nie mit dem Thema in Verbindung gebracht.
    Vor ein paar Monaten habe ich aufgrund einer Hormonstörung eine schwierige Zeit mit depressiven Verstimmungen durchgemacht. Ich zweifelte an mir, meinem Leben und der ganzen Welt und suchte nach einer Erklärung, warum ich mich schon immer so anders gefühlt hab.

    Im Kindergarten eckte ich oft an, hatte kein Interesse, auf andere Kinder zuzugehen und erinnere mich, dass ich oft dasaß und Folgendes dachte: „Ich verstehe andere Menschen nicht, wie sie reagieren. Ich weiß nicht, wie ich mich ihnen gegenüber verhalten soll, weil ich nicht weiß, wie sie auf mich reagieren.“
    Ich dachte oft, im Kindergarten sind halt Kinder und ich, aber ich fühlte mich selbst nie als eines dieser Kinder.
    Heute kann ich sagen, dass ich eine gute Menschenkenntnis habe, Menschen und deren Mimik gut analysieren und interpretieren kann und auch weiß, wie man ein Gespräch lenkt. Das habe ich aber schon immer mit meiner Intelligenz und meinem logisch-analytischen Denkvermögen begründet. Ich frage mich hierbei, ob das genau der Hinweis auf Asperger ist, weil es ja die Behauptung gibt, dass hochintelligente Aspies (vor allem Frauen) genau das können, oder ob es noch in jenem Rahmen ist, in dem jeder Mensch das Sozialverhalten in gewisser Weise lernen muss.
    Aber ich kann sagen, dass die einfachsten sozialen Situationen für mich schwierig, anstrengend und einfach nervig sein können.

    Ich bin sehr emotional, als ob ich alles in jeder einzelnen Körperzelle spüre.
    Aber ich habe absolut keinen Wunsch nach einer Beziehung und mit meinem Geschlecht und diesen Geschlechterklischees allgemein kann ich nichts anfangen.
    Ich fühle mich als Mensch, irgendwo zwischen neutral und männlich, aber bestimmt nicht weiblich. Ich verstand das nie, weil ich immer wusste, dass ich weder lesbisch noch transgender bin.
    Ich habe immer gespürt, dass da was in meinem Kopf ist, warum ich so bin wie ich bin, dass mein geschlechtsneutrales Empfinden aus meinem Gehirn kommt. Frauen sind für mich die unlogischste Spezies überhaupt und ich kann nicht verstehen, selbst ein Exemplar davon zu sein. Das fühlt sich für mich falsch an.
    Aber ich bin nicht unglücklich darüber. Alles ist gut, so wie es ist. Und ich habe aufgehört, mir Druck zu machen. Wenn ich mir alleine schon vorgestellt habe, einen Partner suchen oder eine Familie gründen zu müssen, hat mich das schon in Panik versetzt. Ich kann sowas nicht. Das wären für mich zu viel Trubel, zu viel Unvorhersehbares, zu viele Sinnesreize. Es fühlt sich für mich besser an, für mich zu bleiben. Wie soll man ein Kind erziehen in einer Welt, in der man selbst vieles nicht versteht?
    Ich habe in allen Sinnesbereichen mehr oder weniger starke Wahrnehmungsbesonderheiten, auch Synästhesien und eine leichte Form von Prosopagnosie. Vor allem Gerüche können mich an den Rand des Wahnsinns treiben. Allerdings kenne ich diese Overloads mit Melt- und Shutdowns nicht in dieser Ausprägung, wie es Aspies beschreiben.

    Momentan weiß ich nicht, ob ich ein hochsensibler Aspie bin, oder hochsensibel mit „nur“ Aspie-Zügen oder eine gleichmäßige Mischung aus beidem. Ich spüre einfach, dass ich nicht einfach nur HS bin und ein Aspie ganz deutlich in mir steckt, der in stressigeren Situationen besonders gerne herauskommt. Ich bin auch unsicher, weil sich alles nun so gut zu einem Gesamtbild zusammenfügt und es mir deshalb fast schon unheimlich vorkommt. Vielleicht bin ich noch nicht ganz bereit für dieses Thema, weil ich auch bis vor ein paar Monaten noch das alte Klischee im Kopf hatte.

    Aber immerhin habe ich nun mal eine Richtung, in die das alles bei mir geht.
    Hierfür nochmals vielen Dank.

    Antworten
    • Liebe Nidorina,

      vielen Dank für Ihr nettes Feedback und Ihren Bericht! So wie Sie es beschreiben, ist es gut möglich, dass Sie im Spektrum sind. Ihre Gedanken im Kindergarten weisen sehr darauf hin. Dass Sie aufgrund Ihrer Intelligenz und Sensibilität später gelernt haben, sich diese Fragen zu beantworten, ist ein Glück, denn so fallen Sie nicht weiter auf und können besser leben. So bleiben Sie von den Melt- und Shutdowns, unter denen andere Asperger leiden, verschont. Passen Sie weiterhin gut auf sich auf, denn natürlich sind auch einfache soziale Situationen für Sie viel anstrengender als für andere. Und wenn Sie Gesprächsbedarf haben, vereinbaren Sie gern ein 30minütiges Gratiscoaching bei mir!

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara Kern

  10. Hallo Anne-Barbara,vielen herzlichen Dank für die Antwort. Ich hatte mich falsch ausgedrückt. Nur bei der Frage nach dem Geschlecht konnte ich antworten, dass ich eine Frau bin und mich auch so fühle. Die anderen Fragen hatte ich Richtung Asperger beantwortet.

    Antworten
    • Liebe Ines,

      upps, das hatte ich tatsächlich ganz falsch verstanden! Na dann spricht bei Dir ja doch einiges für Asperger. Auch Deine Mobbing-Erfahrungen – viele Asperger haben solche machen müssen. Von daher würde ich wirklich sagen, dass Du nicht anders bist, weil Du gemobbt wurdest, sondern eher umgekehrt. Aber alle Achtung, dass Du trotzdem mit Kindern und Beruf klar kommst! Wenn ich irgendetwas für Dich tun kann, lass es mich wissen…

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

    • Hallo Arin,

      danke dir für dein nettes Feedback, das mich sehr freut! :-)

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

  11. Liebe Anne-Barbara,
    danke für den guten Artikel zu den Unterschieden bei Hochsensibilität und Hochsensibilität+Asperger. Mir hat die Beschreibung mit dem vorinstallierten bzw. dem erst erlernten Sozialverhalten gut gefallen. Gibt es eine Quelle, aus der sich diese Aussage ableiten lässt? Dann wäre ich sehr dankbar, diese zu erfahren.
    Viele Grüße!

    Antworten
  12. Hallo und danke für den Artikel, er war sehr interessant.
    Ich dachte bisher, dass ich „nur“ hochsensibel bin, aber seit ich mich mehr mit Asperger beschäftigt habe, schließe ich das auch nicht mehr aus. Das Problem ist, dass ich überall so zwischendrin bin, auch bei deinem Test. Fällt es mir schwer, Freunde zu finden? Ja, aber ich habe welche, ich fühle mich definitiv anders als andere, aber nicht so stark, dass ich direkt Ja! schreien könnte, ich mache Dinge, wie etwas bauen, recherchieren, präsentieren usw lieber alleine, aber ich würde nicht gerne alleine Essen gehen oder ins Kino gehen… Aber wenn ich die Wahl habe, zwischen „etwas alleine machen“ und mit einer Gruppe von Leuten, die ich kaum oder gar nicht kenne ist es definitiv alleine.

    Ich kann einfach sehr schwer einschätzen, ob es „noch“ Hochsensibel ist oder Asperger oder beides… Ich habe in ein paar Wochen einen Termin bei einer Autismus-Beratungsstelle, aber ob die einen Unterschied zwischen Hochsensibilität und Asperger kennen…? Psychiater:innen konnten mir bisher erst etwas im nächsten Jahr anbieten…

    Ich hoffe, dass ich da irgendwie bald Klarheit bekomme, dein Artikel hat auf jeden Fall mehr geholfen als verwirrt, Dankeschön!

    Viele Grüße
    Finn

    Antworten
    • Lieber Finn,

      danke dir für dein nettes Feedback und deinen Bericht! Auf die Distanz kann ich dir natürlich nichts Abschließendes sagen. Dass du Dinge mal lieber allein machst und mal lieber mit anderen ist eine typische Antwort Hochsensibler, ebenso, dass du dich schon anders fühlst, aber nicht sehr und dass du Freunde hast, auch wenn passende Menschen nicht an jeder Straßenecke zu finden sind. Vielleicht bist du Hochsensibel und hast dabei einfach auch den ein oder anderen Asperger-Zug?

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

  13. Hallo,
    Über meine Therapeutin bin ich auf das Thema Hochsensibilität gekommen. Bei einem Klinikaufenthalt (wegen Depressionen) schwankten die Therapeuten zwischen den Verdachtsdiagnosen Autismusspektrumstörung und Schizoididät. Beides soll ja recht ähnlich sein. Hast Du Erfahrungen mit einer solchen Unterscheidung bzw wo genau liegen „typische“ Unterschiede? Das ist mir nicht ganz klar.
    Viele Grüße

    Antworten
    • Liebe Tatjana,

      theoretisch gesehen ist Autismus eine Entwicklungsstörung und Schizoidität eine Persönlichkeitsstörung, d.h. ersteres ist angeboren, letzteres im Laufe des Lebens erworben. Anhand der Symptomatik ist das Ganze meiner Meinung nach nicht zu unterscheiden. Ich hatte bisher zwei Klienten mit der Diagnose „Schizoidität“. Bei beiden hat sich herausgestellt, dass es in Wirklichkeit Asperger ist. Ich hoffe, das hilft dir ein wenig weiter!

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

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