Hochsensibel – wenn uns Dinge zu nah gehen

„Nimm‘ dir das doch nicht so zu Herzen!“ „Du lĂ€sst das zu nah an dich heran…“ Als hochsensibler Mensch bekommt man solche SĂ€tze öfters zu hören. Sehr hilfreich sind diese gut gemeinten Bemerkungen meist nicht. Es ist ein wenig, als wĂŒrde einem jemand sagen, dass man doch nicht so sehr schwitzen soll. In diesen Momenten sehen wir selbst, das wir an etwas zu knabbern haben, dass uns etwas sehr tief berĂŒhrt hat, dass uns etwas stört, was uns nicht stören sollte und so fort. Jeder Hochsensible hat hin und wieder das GefĂŒhl, dass ihm etwas zu nah geht. Wobei das „zu nah“ natĂŒrlich relativ ist. „Zu nah“ im VerhĂ€ltnis zu was oder wem? Im Vergleich zur in Bezug auf SensibilitĂ€t normal veranlagten Mehrheit? Sollen und mĂŒssen wir uns mit diesen Menschen vergleichen? Ich denke nein, denn wir ticken ein wenig anders und dĂŒrfen getrost unsere eigenen MaßstĂ€be an uns legen. Aber selbst wenn wir das tun, gibt es eben diese Situationen, Dinge, die uns einfach unnötig und unangenehm nah gehen. Gewusst wie ist es aber gar nicht so schwer, in diesen FĂ€llen Distanz zu schaffen. Und da dieses PhĂ€nomen die meisten Hochsensiblen betrifft, möchte ich in diesem Artikel eine ganz einfache Methode dazu vorstellen. Zum besseren VerstĂ€ndnis zunĂ€chst eine kurze ErklĂ€rung, wie unser Gehirn arbeitet:

Wie unser Gehirn Erlebnisse kodiert

Ob uns etwas wichtig ist oder weniger wichtig, uns sehr nah geht oder uns eher gleichgĂŒltig ist, liegt nur in zweiter Linie an dem Erlebnis an sich. Dies ist eine Tatsache, die sich auch im Alltag immer wieder beobachten lĂ€sst: Zwei Personen erleben ein und die selbe Geschichte, und es kann durchaus passieren, dass die eine darunter leidet, die andere aber nicht. Diese Unterschiede erklĂ€ren sich dadurch, dass die Gehirne beider Personen das Erlebnis auf verschiedene Weise kodiert haben. Der NLP-BegrĂŒnder Richard Bandler hat sich intensiv mit diesem Thema beschĂ€ftigt und dabei entscheidende Erkenntnisse ĂŒber die Funktionsweise unseres Gehirns gewonnen. Mehr dazu kann man in meinem Artikel Die Landkarte ist nicht das Gebiet nachlesen.

Ein kleiner Test – sieh Deinem Gehirn bei der Arbeit zu

Ich möchte Dich, liebe Leserin und lieber Leser, einmal zu einem kleinen Test einladen: Bitte erinnere Dich an ein Erlebnis, von dem Du den Eindruck hattest, dass es Dir zu nah gegangen ist, und an ein Erlebnis, das Dir relativ gleichgĂŒltig war. Jetzt vergleiche bitte die Art, wie Du Dich an diese beiden Erlebnisse erinnerst. Sind es Bilder oder Filme? Wie nah bei Dir befinden sie sich? Sind sie zwei- oder dreidimensional, in schwarzweiß oder in Farbe? Sind GerĂ€usche oder Stimmen damit verbunden? Wie nah hörst Du sie, wie laut, wie sind KlangqualitĂ€t bzw. Tonfall?

Vermutlich befindet sich die gleichgĂŒltige Erinnerung eher weiter weg, ist kleiner, weniger bunt, vielleicht sogar schwarzweiß, wĂ€hrend die Bilder bzw. Filme der Dir zu nah gehenden Erinnerung tatsĂ€chlich sehr nah bei Dir sind, relativ groß, vielleicht sogar lebensgroß und grĂ¶ĂŸer, bunt, dreidimensional etc.

Distanz schaffen fĂŒr Hochsensible – gewusst, wie!

Nach meiner Erfahrung in der Arbeit mit meinen Klienten neigen Hochsensible „ab Werk“ dazu, Erlebnisse sehr nah bei sich (oft sogar direkt ĂŒber dem Herzen), groß, bunt und lebhaft zu kodieren. Kein Wunder also, dass all diese EindrĂŒcke als extrem wichtig empfunden werden, was durchaus zur Belastung werden kann!

Die gute Nachricht ist: Wenn wir erkennen und uns bewusst machen, wie unser Gehirn unsere Erlebnisse kodiert, können wir das Ă€ndern. Richard Bandler nennt dies die Arbeit mit den SubmodalitĂ€ten. Dabei handelt es sich um eine der elementaren Grundtechniken des NLP (Neurolinguistisches Programmieren), die geradezu verblĂŒffend einfach ist:

  1. Erinnere Dich an das Erlebnis, das Dir zu nah gegangen ist, und achte auf die Kodierung (wie oben beschrieben).
  2. Wenn es nah bei Dir ist, schiebe es weiter weg.
  3. Wenn es dreidimensionale Bilder oder Filme sind, mache sie zweidimensional.
  4. Wandle Filme in Bilder um.
  5. Wenn die Bilder bunt sind, mache sie schwarzweiß.
  6. Mache die Bilder oder Filme kleiner, so klein, bis Du fast nichts mehr erkennen kannst.
  7. Drehe die Helligkeit so hoch, bis fast nichts mehr zu erkennen ist, oder mache das Bild so dunkel, bis der gleiche Effekt eintritt.
  8. Mache GerÀusche, Stimmen etc. so leise, bis Du fast nichts mehr hörst.

Nach jeder Maßnahme prĂŒfst Du, ob es Dir mit dieser jeweils neuen Kodierung besser geht. Falls ja, verstĂ€rke die Maßnahme noch, falls nein, mache sie rĂŒckgĂ€ngig und arbeite am nĂ€chsten Punkt. Noch mehr Maßnahmen, weitere Techniken und genaueres ĂŒber die Arbeit mit den SubmodalitĂ€ten kannst Du hier nachlesen:

Richard Bandler, Leitfaden zu persönlicher VerÀnderung. Die Geheimnisse schneller und bleibender LebensverÀnderung mit Neurolinguistischem Programmieren*, Welver 2015

 

Zwei Fallbeispiele aus meiner Coachingpraxis fĂŒr Hochsensible

Eine hochsensible Klientin berichtete mir, dass sie sich bei der Arbeit so schlecht erholen kann, wenn andere Menschen mit im Raum sind. Dies stellte ein Problem fĂŒr sie dar, weil sich mehrere Mitarbeiter einen recht kleinen Pausenraum teilen mĂŒssen, so dass sie dort so gut wie nie allein Pause machen kann. Als ich genauer nachfragte, wie sie die anderen Mitarbeiter erinnert, stellte sich heraus, dass sie sie als noch nĂ€her gerĂŒckt empfand, als das in Wirklichkeit der Fall ist, und dass sie sie lebensgroß sah. Unter diesen UmstĂ€nden kann man sich natĂŒrlich nicht gut erholen. Mit Hilfe der SubmodalitĂ€ten rĂŒckten wir die Kollegen weiter weg, machten sie kleiner, schwarzweiß etc. Ihr ging es daraufhin gleich besser.

Eine andere Klientin empfand den Umgang ihrer Eltern miteinander als sehr belastend, konnte aber nicht eingreifen, weil es einfach Sache ihrer Eltern ist, und sie ihre Beziehung seit Jahrzehnten so handhaben, so dass eine Änderung höchst unwahrscheinlich ist. Als ich sie fragte, wie sie sich an eine beispielhafte Situation erinnert, stellte sich heraus, dass das Bild recht groß war und direkt ĂŒber ihrem Herzen saß. Auch das Ă€nderten wir mit Hilfe der SubmodalitĂ€ten, was ihr eine sofortige Erleichterung verschaffte.

Ich könnte noch viele weitere Beispiele anfĂŒhren, doch ich denke, diese beiden reichen aus, um sich einen Eindruck von dieser fĂŒr hochsensible Menschen extrem hilfreichen Technik zu verschaffen. Meiner Meinung nach gehört sie fest zum Handwerkszeug eines jeden Hochsensiblen. Ich hoffe, dass dieser Blog-Artikel dazu beitrĂ€gt, vielen hochsensiblen Menschen dabei zu helfen, die Kontrolle ĂŒber ihr Erleben zurĂŒckzugewinnen, damit sie Dinge nicht nĂ€her an sich heranlassen mĂŒssen, als ihnen lieb ist, und jederzeit eine wohltuende Distanz schaffen können.

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14 Gedanken zu „Hochsensibel – wenn uns Dinge zu nah gehen“

  1. Liebe Anne-Barbara,
    die Methode der Distanz schaffen ist phĂ€nomenal. Habe sie nur kurz ausprobiert und unglaubliche VerĂ€nderungen gespĂŒrt. Es ging um eine Kollegin, die mir öfters zu nahe kommt. Ich sehe sie als Film, wie sie in meinem Körper-Raum steht, gaaaaanz groß, bunt und farbig (fast wie eine Hexe teils ĂŒber mir schwebend ;-)). Mein Körper ist dabei total angespannt, die Schultern sind hochgezogen und der Nacken ist verspannt. Sofort beim Wegschieben entspannte sich mein Körper, der Nacken wurde gelöst. Es fĂŒhlt sich soooooooooo befreiend an und tut einfach gut.
    Ich danke dir von Herzen fĂŒr diesen Beitrag und natĂŒrlich fĂŒr Deine super tolle, so wertvolle Webseite fĂŒr uns Hochsensiblen.
    Liebe GrĂŒĂŸe
    Martina

    Antworten
    • Liebe Martina,

      vielen Dank fĂŒr Deinen Erfahrungsbericht! Freut mich sehr, danke Dir! :-D Ab jetzt weißt Du, was zu tun ist, sollte die Anspannung wiederkommen, oder falls wieder einmal etwas Ă€hnliches geschieht.

      Herzliche GrĂŒĂŸe,
      Anne-Barbara

  2. Liebe Anne-Barbara,

    vielen Dank fĂŒr die Methode Distanz zu schaffen. Ich habe sie ausprobiert und bin begeistert, wie einfach ich eine vormals ĂŒberwĂ€ltigende Situation verĂ€ndern kann. Das empfohlene Buch ĂŒber NLP habe ich mir bestellt und bin gespannt …!

    Herzliche GrĂŒĂŸe

    Susanne

    Antworten
    • Liebe Susanne,

      freut mich, dass Dir diese Methode geholfen hat! :-) Das Buch ist eine wahre Fundgrube an weiteren solcher Methoden… Viel Spaß damit!

      Herzliche GrĂŒĂŸe,
      Anne-Barbara

  3. Hallo,
    genau so etwas habe gesucht.Damit kann auch ich mehr bei mir bleiben!!Es schafft wirklich etwas Abstand.DANKE!!
    Habe mir auch noch Übungen aus Deinem 4.Teil des Onlinekurses herausgesucht.(Entspannungsatmen und Flamencotechnik).
    Herzlichen Dank!!

    Antworten
    • Liebe Sanne,

      hey, das freut mich! :-D Ich wĂŒnsche Dir weiterhin viel Erfolg mit den Übungen.

      Herzliche GrĂŒĂŸe,
      Anne-Barbara

  4. Wundervoll! Ich habe gleich vier Situationen mit dieser Technik behandelt. Jetzt fĂŒhle ich mich glĂŒcklich, erleichtert und Stark. Danke dafĂŒr :)

    Antworten
    • Liebe Jasmin,

      freut mich, dass das bei Dir so gut funktioniert! Dann weiter so… :-)

      Herzliche GrĂŒĂŸe,
      Anne-Barbara

  5. Hallo.

    Ich habe eben gerade deinen Blog entdeckt….
    Und die oben genannte Technik finde ich super.habe sie b lesen in Gedanken kurz ausprobiert und da schon gemerkt dass es hilft.ich hab die Hoffnung schon fast aufgegeben..u bin grad echt GlĂŒcklich darĂŒber.
    1000 dank:))

    Antworten
    • Liebe Antje,

      hey, das freut mich total! :-D Diese Technik ist wirklich extrem hilfreich, und schön, dass sie auch bei dir funktioniert. Ich wĂŒnsche dir noch weitere Entdeckungen auf meinem Blog und freue mich, wieder von dir zu hören bzw. zu lesen!

      Herzliche GrĂŒĂŸe,
      Anne-Barbara

  6. Liebe Anne-Barbara Kern,

    Vielen Dank, ich habe nun schon 2 mal sehr schlimmen, und schlimmen Liebeskummer damit erfolgreich minimiert, und die Personen loslassen können. Dabei ist mir aufgefallen, das ich manche Dinge nicht so recht loslassen wollte, aber letzten Endes musste es sein, um wirklich fei zu werden. Nun bemĂŒhe ich mich , mir eine Schutzschicht um mein Herz herum wachsen zu lassen.

    Judith

    Antworten
    • Liebe Judith,

      vielen Dank fĂŒr Deinen Bericht, freut mich sehr, dass Du diese Technik so erfolgreich anwenden konntest! Ja, das gibt es öfters, dass man an Dingen festhĂ€lt, obwohl es besser ist, sie loszulassen. Super, dass Du es dann trotzdem getan hast!

      Ich bin mir nicht sicher, ob es richtig ist, wenn Du Dir eine Schutzschicht wachsen lassen willst, denn das geht ein wenig gegen unsere hochsensible Veranlagung. Mein Lösungsansatz ist, statt den RĂŒckwĂ€rtsgang einzuschalten, lieber immer besser darin zu werden, Schmerz zu verarbeiten. Denn so können wir unsere Veranlagung nutzen, statt sie auszubremsen. Mehr dazu kannst Du hier nachlesen:

      HochsensibilitÀt und Abgrenzung

      Herzliche GrĂŒĂŸe,
      Anne-Barbara

  7. Liebe Anne-Barbara,
    da ich mich seit Tagen emotional instabil fĂŒhle, habe ich heute im Internet recherchiert (…Dinge nicht so nah an sich ranlassen…) und bin auf Deine Seite gekommen.
    Ich bin HSP und weiß erst seit ca. 5 Jahren was das ist – seitdem bin ich froh, zu wissen, was mit mir los ist und lerne damit zu leben.
    Oft leide ich ‚mit‘ anderen (meist sind es Tiere) und manchmal kann ich es wegschicken, aber wenn es quasi vor meiner HaustĂŒr geschieht, ist es mir fast unmöglich, die Gedanken wegzuschicken und das daraus enstehende Leid in den Griff zu bekommen.
    Was tue ich also, wenn die Methode Distanz zu schaffen nicht funktioniert?
    Herzliche GrĂŒsse
    Alice

    Antworten
    • Liebe Alice,

      tut mir leid, dass es dir emotional gerade nicht gut geht! Wenn die Methode in diesem Blog-Artikel nicht funktioniert, heißt das, dass mehr dahinter steckt. Das können wir dann auf schriftlichem Wege nicht lösen. Wenn du magst, ich biete meinen Leser*innen ein 30minĂŒtiges Gratiscoaching . Setze dich gern deswegen mit mir in Verbindung. Ich freue mich, wieder von dir zu hören!

      Herzliche GrĂŒĂŸe,
      Anne-Barbara

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