Aufgrund unserer erniedrigten Reizschwelle sind wir hochsensible Menschen recht empfindsam für Schwingungen und Stimmungen aller Art. Wenn Spannungen in der Luft liegen, macht uns das etwas aus, selbst wenn wir gar nicht daran beteiligt sind. Das, was andere bedrückt, spüren wir fast genauso deutlich wie das, was uns selbst bedrückt. Die Launen anderer beeinflussen auch unsere eigene Stimmung. Wir sind ganz allgemein weniger abgegrenzt als andere. Manchmal empfinden wir das als schön, weil es uns eine tiefe Verbindung zu unseren Mitmenschen ermöglicht. Wir schwelgen gern im Miteinander und fühlen uns dort so wohl wie der Fisch im Wasser. Manchmal kann uns das aber auch auf die Nerven gehen, weil wir durch diese Eigenschaft in Dinge involviert werden, die uns nichts angehen und/oder an denen wir nichts ändern können. Und es fällt uns schwer, uns aus diesen Situationen wieder bewusst heraus zu dividieren, denn Abgrenzung ist nicht wirklich unser Ding. Uns wäre es lieber, es ginge auch ohne. Doch Abgrenzung ist eine absolute Notwendigkeit, weil sie unsere extrem bewegliche Emotionalität ordnet und in klare Bahnen lenkt. Im Folgenden möchte ich zeigen, wie man als hochsensibler Mensch in drei Schritten zu mehr Abgrenzung gelangen kann.
Schritt 1: die eigenen Grenzen anerkennen
Wenn von Abgrenzung die Rede ist, denken die meisten erst einmal daran, sich gegen andere abzugrenzen. Doch das ist gar nicht möglich, wenn man die eigenen Grenzen nicht kennt oder sie nicht akzeptiert. Der erste Schritt zur Abgrenzung liegt also darin, die Grundlage dessen zu erkennen und anzuerkennen, was überhaupt abgegrenzt werden muss.
Hochsensible Menschen spüren, wo etwas schief läuft, wo es jemandem schlecht geht und oft auch warum. Sie denken dann oft, weil sie das spüren, wäre es auch ihre Aufgabe, all dieses Leid aus der Welt zu schaffen. Doch das ist unmöglich, wir würden uns damit überfordern. Es ist zwar keineswegs so, dass wir nichts bewirken können, aber eben nicht unbedingt alles, was wir uns wünschen würden. Diese Grenze gilt es anzuerkennen.
Und das bezieht sich auch ganz allgemein auf unsere hochsensible Veranlagung: Wir müssen die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen unserer Weise des Seins anerkennen. Solange wir denken, in irgendeiner Weise mit in Bezug auf Sensibilität normal Veranlagten „mithalten“ zu müssen, legen wir falsche Maßstäbe an uns an und überfordern uns. Eine solche Anforderung stürzt uns nämlich in eine Doppelbelastung: Das, was wir als Hochsensible leisten, können wir ja nicht abschalten, verlangen uns aber noch dazu alles ab, was andere leisten, die eben anders veranlagt sind.
Hochsensible Menschen sind oft qualitativ leistungsfähiger als andere, aber quantitativ weniger leistungsfähig. Wir bringen eine bestimmte Qualität in die Welt, zu der andere nicht oder nur viel langsamer kommen würden. Doch wir können nicht dieses Mehr an Qualität bringen und dabei auch noch genauso lange leistungsfähig sein wie andere. Das wäre eine Doppelbelastung, die jeden auf lange Sicht in die Knie zwingen würde. Und diese Grenze gilt es anzuerkennen.
Auf diese beiden Dinge kommt es im ersten Schritt an
- Wir haben nur begrenzte Kräfte. Jeder kann nur seinen Teil, sein bestmögliches zur Lösung von Schwierigkeiten beitragen und ist nicht verantwortlich für alles Leid, das man in seinem Umfeld erkennt. Was siehst du an Leid und Schwierigkeiten in Deinem Umfeld? Was müsste deiner Meinung nach getan werden? Und was kannst und möchtest du dazu beitragen? Was kannst du beim besten Willen nicht tun? Hier liegen deine Grenzen, was diesen Punkt betrifft.
- Wir müssen die Möglichkeiten und Grenzen unserer hochsensiblen Veranlagung anerkennen. Welche Qualität bringst du aufgrund Deiner hochsensiblen Veranlagung in die Welt? Wie lange kannst du arbeiten? Wie viele und wie lange Pausen benötigst du, um dich regenerieren zu können? Hier liegen deine Grenzen, was den zweiten Punkt betrifft. Es lohnt sich, sich darüber Gedanken zu machen, da das individuell sehr verschieden sein kann.
Erst wenn du dir über diese Fragen klar wirst, weißt du, was es überhaupt abzugrenzen gilt und bist in der Lage, dein Revier abzustecken.
Schritt 2: die eigenen Grenzen verteidigen
Jetzt hast du dein Revier abgesteckt, weißt, was du beitragen kannst und was nicht, was du leisten kannst und wie viel Zeit du für deine Regeneration benötigst. Du kannst nun den Garten deines Lebens einzäunen und ihn dir so einrichten, wie du es brauchst und möchtest. Darum herum baust du dir einen Zaun, damit du selbst und die anderen sehen, wo dein Revier ist.
Wenn jemand nun deine Grenzen übertritt und in Deinen Beeten herumtrampelt, verweist du ihn umgehend freundlich, aber bestimmt aus Deinem Garten. Die Betonung liegt auf freundlich, aber bestimmt: Denn wenn du beim Abgrenzen Übergriffe begehst, wird die Lage eskalieren. Dein Gegenüber fühlt sich dann nämlich bedroht und wird sich vehement verteidigen. Wenn du einfach nur klar sagst, was du vom anderen willst, ohne Übergriffe zu begehen und zu werten, ist das am effektivsten: So gibst du deinem Gegenüber die Chance, dich zu verstehen.
Niemand hat zu werten, wie du dein Leben einrichtest. Es ist allein deine Sache. Du bist der Spezialist für dein Leben. Niemand weiß besser als du, was du leistest, wie lange du arbeiten kannst, wo deine Probleme anfangen und aufhören und wo etwas nicht dein Problem, sondern das eines anderen ist.
Diese Grenzen zu verteidigen hat sehr viel mit Wertschätzung für die eigene Person und mit Selbstliebe zu tun. Mehr Übungen zur Selbstliebe kann man in meinem Artikel Hochsensibilität, Selbstliebe und Energie nachlesen. Wenn man sich einmal nicht sicher ist, wo man eine Grenze setzen sollte, ist es stets gut, sich die Frage zu stellen, was denn ein Mensch in dieser Situation tun würde, der sich selbst vollkommen liebt?
Ein Mensch, der sich selbst vollkommen liebt, nimmt Herausforderungen an, die ihn weiterbringen, würde sich aber nie überfordern. Ein Mensch, der sich selbst vollkommen liebt, hilft anderen, wenn er Freude daran hat, aber lässt es bleiben, wenn ihm das zu viel wird oder er dazu keine Lust hat.
Das hat nichts mit Egoismus zu tun! Auf lange Sicht kann man nur für andere da sein, wenn man selbst gut für sich sorgt. Diese gesunde Selbstfürsorge dient letztlich dazu, verlässlich seinen Beitrag leisten zu können, weil man seinen Energiehaushalt im Gleichgewicht hält.
Schritt 3: die Grenzen der anderen respektieren
Da hochsensible Menschen oft einen sehr guten Blick dafür haben, worunter andere leiden, möchten sie diesen gern helfen. Doch dies geschieht oft gar nicht, weil es ihnen wirklich um den anderen Menschen geht, sondern weil sie selbst so sehr darunter leiden, dass ein anderer leidet, dass sie dieses Leid sofort abstellen möchten. Das ist aber ungefähr so, als würde es einen an einem Körperteil jucken, der gar nicht zu einem selbst gehört, und sich dort kratzen. Derjenige, an dem da gekratzt wird, kann das als übergriffig empfinden und sich lautstark beschweren! Zurecht.
So schön es auch wäre, andere weiter zu bringen und ihnen Leid zu ersparen, manchmal ist es eben nicht an der Zeit oder der andere möchte das auch gar nicht. Wenn wir unserer emotionalen Grenzenlosigkeit freien Lauf lassen, kann hier schnell einiges durcheinander gehen.
Wenn du spontan jemandem helfen möchtest, warum möchtest du das tun? Geht es dir dabei wirklich um den anderen? Was ist dein Anteil am Problem? Was ist dein Verantwortungsbereich? Das ist der Teil des Problems, den du lösen kannst. Welchen Anteil hat dein Gegenüber? Was fällt in seinen bzw. ihren Verantwortungsbereich? Hier kannst du deine Hilfe und Unterstützung anbieten, wenn du das möchtest. Aber du kannst nicht von jemandem fordern, einen Entwicklungsschritt zu tun, für den es noch nicht an der Zeit ist.
Fazit: Mehr Abgrenzung erleichtert das Leben ungemein!
Wenn ich erkenne, wo meine Grenzen sind, kann ich mir mein Leben so einrichten, wie es gut für mich ist. Ich hadere nicht mehr mit mir selbst und kann die Welt so nehmen und ertragen, wie sie ist. Dieses Leben, das ich mir zu meinem und dem Besten der anderen so eingerichtet habe, ist unantastbar und nicht verhandelbar. Für dieses Leben stehe ich ein und verteidige es gegen die Forderungen anderer, seien es Vorgesetzte, der Partner, Kinder oder Freunde.
Wenn ich erkenne, dass jeder einen solchen Garten hat, fordere auch ich nicht mehr unmögliches von anderen bzw. Dinge, die sie nicht wollen. Ich erkenne, wo meine Verantwortung liegt und nehme diese auf mich. Aber ich erkenne auch, wo mein Verantwortungsbereich endet und lasse an dieser Stelle los. Das führt zu einem viel leichteren Leben.
Zur Ergänzung: Eine Technik, wie man sich im Alltag gegen zu viele Reize abgrenzen kann, wird in meinem Artikel Der Regenschirmspaziergang – 5 Schritte für mehr Abgrenzung vorgestellt.
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Hallo Anne-Barbara,
herzlichen Dank für Deinen Artikel!
Folgender Satz macht mich gerade nachdenklich: „Derjenige, an dem da gekratzt wird, kann das als übergriffig empfinden und sich lautstark beschweren! Zurecht.“ Ich erlebe es sehr oft umgekehrt: An mir wird gekratzt, weil es andere juckt, weil jemand meint mir helfen oder mich verändern zu müssen, obwohl es mich weder juckt noch ich die Hilfe annehmen möchte. In dieser Hinsicht habe ich viel mehr „zu tun“ als dass ich das Gefühl habe, selbst übergriffig zu werden. Im Gegenteil bin ich glaube ich genau deshalb von kleinauf vorsichtiger im Kontakt zu anderen, weil ich Übergriffe auf mich erlebe, die ich für mich nicht effektiv abzuwehren weiß, bzw. diesen nichts wirksames entgegensetzen kann.
Herzliche Grü0e,
Bianca
Hallo Bianca,
dann darfst Du diesen Satz gern für Dich so verstehen, dass auch Du das Recht hast, Dich lautstark zu beschweren, sollte jemand dies bei Dir tun! :-) Und wenn Du aus einem solchen Verhalten gelernt hast und darauf achtest, es anders zu machen, umso besser. Bei vielen Hochsensiblen besteht die Gefahr nämlich, gerade weil man aufgrund seiner entgrenzten Weise des Seins nicht so genau spürt, wo man selbst aufhört und der andere anfängt. Ich beispielsweise musste das erst lernen und erlebe das auch bei vielen meiner Klientinnen und Klienten.
Herzliche Grüße,
Anne-Barbara
Hallo Anne-Barbara,
ich bin gerade genau da dabei, zu lernen, Respekt vor meinen eigenen Grenzen einzufordern, zunächst auf Körperlicher Ebene und in sicherer Umgebung.
Im Alltag ist es für mich noch immer nicht einfach, mich erfolgreich abzugrenzen. Ich nehme meine eigenen Grenzen zwar immer besser wahr und kann sie auch öfter rechtzeitg benennen und recht ruhig in Worte fassen. Aber an den Reaktionen ändert das leider sehr oft nichts. Das frustriert mich dann zunehmend, weil ich mich mit meiner Kunst zur Veränderung trotz allem auf verlorenem Posten fühle.
Beispiel: Bitte öffne diese Sektflasche nicht neben meinem Ohr. Kommentar einer dritten Person, die boeobachtet hat zu meinem Gesprächspartner: Bitte geh doch auf die andere Seite des Tisches oder aus dem Raum. Antwort meines Gegenübers an die dritte Person gewandt: Jetzt hör doch auf, das noch zu unterstützen. Ich ging, der Korken knallte. Mir kramen die Tränen. Das Thema war wie nie dagewesen. Ich habe mich ein weiteres Mal nicht ernstgenommen und nicht respektiert gefühlt.
Herzliche Grüße,
Bianca
Hallo Bianca,
ich finde es gut, dass Du damit beginnst, konsequent Grenzen zu setzen. Konsequent heißt, dass man sich nicht davon entmutigen lässt, wenn man damit auch einmal aneckt. Ich kann gut nachvollziehen, dass Dir diese Geschichte etwas ausgemacht hat. Wichtig ist, welche Entscheidung Du aufgrund dieses Erlebnisses fällst. Schade wäre es, wenn Du es dabei belassen würdest, Dich wieder nicht ernstgenommen und respektiert zu fühlen. Du kannst Dich auch dafür entscheiden, bestmöglich aus dieser Situation zu lernen, damit es zukünftig mit der Abgrenzung noch besser klappt. Letztlich ist es nämlich viel wichtiger, dass Du Dich selbst ernst nimmst und respektierst. Wenn andere das nicht tun, ist das deren Problem und nicht Deins. ;-)
Herzliche Grüße,
Anne-Barbara
Hallo Anne-Barbara,
das stimmt wohl – sich selbst ernst nehmen und konsequent sich selbst gegenüber sein ist ein wesentlicher Schritt dabei. Manchmal steht mir da mein recht ausgeprägtes Harmoniebedürfnis ein bisschen im Wege. Gerade dann, wenn sowas mit den eigenen Eltern – mal wieder – passiert, die einen in diesem Aspekt leider noch nie erntgenommen haben. Und das wohl auch in Zukunft nicht vorhaben (Schreckhaftigtkeit kann man sich schließlich abgewöhnen und es ist nur Anstellerei) :)
Herzliche Grüße,
Bianca
Hallo Bianca,
ja genau, unser Harmoniebedürfnis steht uns bei der Abgrenzung oft im Weg. Aber wirkliche Harmonie kommt eben nur zustande, wenn wir uns auch gut dabei fühlen und nicht nur so tun, als wäre alles o.k. Von daher kann man eine „Harmonie“, die nur darauf beruht, die eigenen Bedürfnisse zurückzustellen, getrost in die Tonne treten. :-)
Herzliche Grüße,
Anne-Barbara
Hallo Anne-Barbara,
so eine Scheinharmonie ist dann eben wie Autofahren mit angezogener Handbremse und kostet unwahrscheinlich Energie – wenn man eben doch nicht so sein kann, wie man ist, nämlich authentisch und ehrlich zu sich selbst.
Ich habe das heute im beruflichen Kontext lve an mir selbst erlebt: Ich kam aus so einer Scheinharmonie raus, wusste, dass ich jetzt neu starten und ehrlicher zu mir selbst sein kann und konnte ein breites Grinsen der Erleichterung einfach nicht verkneifen :) Mir fiel eine Felswand von Herzen :)
Kurz darauf bekam ich in einer Fortbildung die Bestätigung dahingehend, dass Konsequent-Sein zwar nicht immer leicht sei, aber dennoch wichtig für ein gites Miteinander und die eigene Authentizität :)
Herzliche Grüße,
Bianca
Hallo Bianca,
da bist Du auf einem guten Weg! :-) Danke Dir für’s Teilen.
Herzliche Grüße,
Anne-Barbara
Hallo,
ich habe eine Absicht zu erkennen, wo meine Grenzen sind. Ich bin sehr sensibel, deswegen war dieser Artikel für mich sehr interessant. Villeicht ist es so, dass wenn wir unsere Grenzen kennenlernen, können wir besser funktionieren und können wir tatsächlich besser das Leben ertragen.
Grüß
Thomas
Hallo Thomas,
freut mich, dass Dich dieses Thema auch beschäftigt! Ich denke schon, dass es uns um einiges besser gehen kann, wenn wir Klarheit über unsere Grenzen haben. Wir können unser Leben besser auf unsere Bedürfnisse zuschneiden und unsere Wahlmöglichkeiten konstruktiv nutzen. Außerdem machen wir uns nicht mehr über alles einen Kopf, was außerhalb unseres Bereichs liegt, und sparen dadurch wieder Energie ein. Wenn Du noch Fragen hast, immer gern! :-)
Herzliche Grüße,
Anne-Barbara
Hallo Anne-Barbara,
danke für Deine Ermutigung :)
Je mehr ich mich gerade damit auseinandersetze, desto dutlicher fällt mir auf, dass es oft mit scheinbaren Kleinigkeiten beginnt: Steht der Schreibtisch im Büro zur Wand mit dem Rücken zum Kollegen oder sitzt man sich gegenüber und guckt sich – ob man will oder nicht – fast automatisch bei der Arbeit zu? Wenn ich nicht wie zufällig jetzt die Wahlmöglichkeit habe und frei entscheiden darf mit Bedenkzeit – ich hätte es wohl einfach weiter als Gegebenheit hingenomen und weiter damit gehadert, dass mich der Kollege ablenkt, wenn ich ihm gegenübersitze.
Herzliche Grüße,
Bianca
Hallo Anne-Barbara,
vielen Dank für Deine guten Ausführungen hinsichtlich der Grenzen.
Du hast sehr gut beschrieben, dass gerade Hochsensible gerne Grenzen anderer überschreiten, weil sie ihre eigenen Grenzen nicht richtig spüren. Genauso mache ich es seit Jahren mit meiner Tochter beim Lernen für die Schule. Mittlerweile hat sie mir gegenüber absolut zugemacht. Das belastet mich einsteils, bei mir ist aber auch der große Wunsch da, endlich aus diesem leidigen Thema herauszukommen.
Durch Deine Ausführungen bin ich eben sehr ins Grübeln gekommen. Bei mir ist auch dieser extreme Antrieb da, ihr helfen zu wollen, sie vor schmerzlichen Erfahrungen (wie ich sie in der Schule hatte) zu bewahren. Was habe ich mir schon alles ausgedacht habe, konnte aber auch gute Ansätze selbst nicht konsequent durchführen. Ich war nicht fähig Grenzen zu setzen (und habe mich sehr dafür verurteilt).
Zur Frage, ob es nicht etwas mit mir selber zu tun hat, kann ich nur ganz laut „JA“ sagen. Ich möchte es nicht nochmal ertragen müssen, dass es ihr so schlecht geht wie mir damals in der Schule und tue es doch seit vielen Jahren :o(.
Ich habe manchmal das Gefühl mit ihr symbiotisch verbunden zu sein. Hier besteht keine Grenze zwischen uns, dass habe ich durch deinen Artikel begriffen.
Das tut ihr nicht gut und mir auch nicht.
Ich bin seit 2 Jahren bei einer Traumatherapeutin, aber das Thema Hochsensibilität und der damit verbundenen häufigen Grenzüberschreitungen, war leider noch nie ein Thema.
Kannst Du mir einen Tipp geben, wie ich gefühlsmäßig mehr Abstand bekomme und meine Grenze einhalten kann?
Vielen Dank für diesen guten Artikel!
Herzliche Grüße
Susanne
Nochmals vielen Dank für den Artikel, er hat einiges in Gang gesetzt.
Hallo Susanne,
vielen Dank für Deinen bewegenden und sehr ehrlichen Bericht! Du beschreibst genau das, was ich im Artikel gemeint habe. Es kann sein, dass das bei Dir nicht nur mit der Hochsensibilität zu tun hat, sondern auch mit Deinem Trauma. Oft sind traumatische Erfahrungen ja auch etwas, wogegen man sich nicht abgrenzen konnte. D.h. viele Traumatisierte haben eben auch ein Problem mit Abgrenzung. Du kannst das durchaus einmal in Deiner Therapie thematisieren.
Ansonsten würde ich Dir raten, Dir systematisch klar zu machen, was im Fall Deiner Tochter „Deins“ und „Ihres“ ist. Wir haben niemals die volle Kontrolle über andere Menschen. Zwar können wir ihnen das bestmögliche anbieten, aber es bleibt ihre Entscheidung, ob und wie sie das annehmen. Wichtig ist also, dass Du das bestmögliche für Deine Tochter tust. Aber sie lebt ihr Leben, auf das Du nur bedingt Einfluss hast.
Du kannst auch einmal in Dich hineinspüren, wie und wo Du das Bild Deiner Tochter abgespeichert hast. Dieses Bild kannst Du ein wenig weiter weg zoomen, einen Rahmen darum machen, es etwas kleiner machen, etc. Immer überprüfen, ob sich das besser anfühlt, ansonsten rückgängig machen. Dann spüre in Dich hinein, so dass Du Dich gut spürst, und betrachte wieder das Bild Deiner Tochter. Versuche, auf einer emotionalen Ebene genau zu spüren, wie Du Dich anfühlst und wie sie sich anfühlt. So kannst Du deutlicher zwischen ihr und Dir differenzieren.
Ich hoffe, diese Tipps helfen Dir ein wenig weiter! Und falls Du noch Fragen hast, immer gern. :-)
Herzliche Grüße,
Anne-Barbara
Liebe Susanne,
falls Sie nach so langer Zeit vielleicht nochmal hier lesen sollten:
versuchen Sie mal, sich eine liegende Acht vorzustellen. In den einen Kreis setzen Sie sich visuell hinein, und in den anderen setzen Sie Ihre Tochter. Wenn es sich gut anfühlt, dann verinnerlichen Sie das Bild mit dem verbundenen Gefühl, daß jeder von Ihnen ein eigenes Leben hat, ein eigenständiger Mensch ist, individuelle Bedürfnisse hat und sich wünscht, respektiert zu werden in seinem Sein.
Sie wünschen sich das genauso wie Ihre Tochter es sich von Ihnen wünscht. Nur weil Sie die Mutter sind, gibt Ihnen dies nicht das Recht, die Grenze ihrer Tochter zu mißachten – auch wenns noch so gut gemeint ist. Solange Ihre Tochter Sie nicht selbst um Hilfe bittet, lassen Sie sie einfach mal selber machen. Es gibt keine Fehler, es gibt nur Erfahrungen.
Es zeugt auch von Liebe und Respekt, wenn man einem geliebten Menschen sein Recht auf eigene Erfahrungen zugesteht, auch wenn es vielleicht leidvolle Erfahrungen sind. Letztlich erwächst daraus etwas Wertvolles für das Leben Ihrer Tochter, denn aus den schmerzlichen oder schwierigen Erfahrungen im Leben lernt man am meisten.
Sie ermöglichen ihr dadurch wertvolles Wachstum ihrer Persönlichkeit, das die stärker machen wird.
Und Sie berauben sie dieser Chance, wenn Sie sie weiterhin in Watte packen, ständig bei allem helfen und ihr Dinge abnehmen und ersparen wollen, die vielleicht schwierig und leidvoll werden könnten.
Woher wollen Sie überhaupt wissen, wie Ihre Tochter mit negativen Erfahrungen umgehen würde? Sie schließen einfach von sich selbst auf sie. Das muß aber nicht so sein.
Versuchen Sie bitte, ihr zu vertrauen und mehr zuzutrauen!
In der liegenden Acht haben Sie beide ihren eigenen geschützten Lebensbereich, können sich aber trotzdem sehen und an der Hand halten – wenn Sie beide dies möchten.
Ich würde Ihnen empfehlen, dieses Experiment mal ganz real gemeinsam mit Ihrer Tochter zu machen (mit einem Band einen Kreis legen und reinstellen oder reinsetzen) und es sie selbst entscheiden lassen, in welchem Abstand sie den Kreis legen will, um sich wohlzufühlen. Und egal wie groß der Abstand ist, respektieren Sie ihn ohne ihr dafür ein schlechtes Gewissen zu vermitteln.
Alles Gute!
Ramona
Liebe Ramona,
danke Dir für Deine Ergänzungen!
Herzliche Grüße,
Anne-Barbara
Toller Artikel, liebe Anne-Barbara, und ebenso inspirierende Kommentare, ich habe eben eine Menge dazugelernt. Danke! :)
Liebe Patricia,
danke Dir, das freut mich! :-D
Herzliche Grüße,
Anne-Barbara