In vier Schritten zu einem selbstsicheren Auftreten

Julia Bender, eine gute Bekannte von mir und selbst Bloggerin zum Thema Hochsensibilität, sagte neulich, dass wir Hochsensible zu wenig trommeln. Sie meinte damit, dass wir nicht ausreichend für unsere Sache eintreten, dass wir nicht sichtbar genug werden, weil lautstarkes, öffentliches und selbstsicheres Auftreten einfach nicht unser Ding ist. Das gab mir sehr zu denken, denn bei mir ist das ja ähnlich gelagert. Früher, als ich noch als Kunsthistorikerin und Chorleiterin unterwegs war, viele Vorträge gehalten und Auftritte absolviert habe, war das anders. Da habe ich solche Anlässe zwar nicht gerade geliebt, aber ich war in der Übung und konnte das sogar recht gut. Doch in den letzten Jahren ist mein Leben ruhiger geworden. In meiner Arbeit als Coach stelle ich mich ganz und gar auf ein bis zwei Personen ein, die zu mir kommen. Da ist dann viel Zuhören angesagt. Mein selbstsicheres Auftreten nach außen hin war eingerostet. Zufällig bot sich mir gerade jetzt die Möglichkeit, an einem Charisma-Training bei Owen Fitzpatrick teilzunehmen. Diese Gelegenheit packte ich beim Schopf, weil ich dachte, dass nicht nur mein eigenes selbstsicheres Auftreten davon profitieren würde, sondern dass ich das auch unbedingt an meine Leserinnen und Leser, Klientinnen und Klienten weitervermitteln möchte.

Selbstsicheres Auftreten – kann man das überhaupt lernen?

Es ist sehr wichtig für das Wohlbefinden hochsensibler Menschen, zu lernen, für ihre Bedürfnisse einzutreten. Denn wenn wir unsere Gabe voll entfalten und einbringen möchten, ist es eben wichtig, alle Spielräume auszunutzen, etwas für unser Wohlbefinden zu tun, genügend Pausen einzulegen, Aufgaben einzufordern und anzunehmen, die uns liegen, und genügend Geld dafür zu verlangen. Naturtalente für selbstsicheres Auftreten mag es unter Hochsensiblen sicher geben, doch werden diese wohl eher die Ausnahme sein. Die meisten von uns müssen sich ein selbstsicheres Auftreten erst erarbeiten.

Owen Fitzpatrick, dessen Spezialgebiet Charisma und selbstsicheres Auftreten ist, meint, dass er als junger Mensch überhaupt nicht charismatisch war. Er hat sich das systematisch erarbeiten müssen. Dies tat er, indem er viele besonders charismatische Menschen traf und sie gezielt daraufhin befragte, wie sie das machen. Die so gewonnenen Erkenntnisse setzte er um und ist heute ein sehr charismatischer Redner.

Und gerade weil er sich sein selbstsicheres Auftreten erst erarbeiten musste, weiß er genau, wo die Schwierigkeiten liegen, wie man sein Charisma und seine Überzeugungskraft verbessern kann und wie man das lehrt und lernt. Ich möchte an dieser Stelle meine wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Seminar weitergeben, damit wir Hochsensible in Zukunft ein wenig besser „trommeln lernen“.

Selbstsicheres Auftreten = sicher bei Dir selbst sein

Wenn man lernen will, selbstsicherer aufzutreten, geht es keinesfalls darum, Dir ein Verhalten aufzusetzen, das nicht Deins ist. Ganz im Gegenteil – es geht darum, mehr Du selbst zu sein, mehr von Dir zu zeigen, echter, wahrer, ausdrucksstärker, expressiver zu werden und andere Deine Energie fühlen zu lassen. Denn absolut man selbst und authentisch zu sein ist das größte Geschenk, das wir anderen machen können.

Wobei sich Authentizität nicht auf Verhalten bezieht. Authentisch zu sein heißt nicht, jedem Impuls gleich nachzugeben, z.B. jemandem an die Gurgel zu gehen, wenn einem gerade danach ist, oder aus dem Saal zu rennen, weil man gerade einen Fluchttrieb entwickelt. Authentizität bezieht sich auf das wahre, innerste Selbst, so wie es die Menschen kennen, die uns wirklich nahe stehen. Sie hat also viel damit zu tun, mit sich selbst im Reinen zu sein und sich mit sich selbst wohl zu fühlen.

Schritt 1: Ängste auflösen

Hunde, Katzen und Kinder sind von Natur aus charismatisch. Kinder an der Supermarktkasse haben beispielsweise überhaupt keine Bedenken, ihren Wunsch nach einem Überraschungs-Ei lautstark zu äußern. Sie entwickeln dabei ein selbstsicheres Auftreten, das sich nicht im geringsten darum schert, was andere denken. Das heißt im Umkehrschluss, dass ein unsicheres Auftreten im Endeffekt erworben ist. Die Hemmungen und Bedenken, die unser selbstsicheres Auftreten blockieren, sind erlernt. Dabei handelt es sich konkret um drei grundlegende Ängste, die wir im Laufe unseres Lebens entwickeln.

Drei Ängste, die unser selbstsicheres Auftreten blockieren

Im Grunde genommen gibt es nur drei Ängste, die uns daran hindern, selbstsicher aufzutreten:

  1. die Angst zu versagen
  2. die Angst vor Zurückweisung
  3. die Angst, sich zu blamieren

Die Angst zu versagen lässt sich auflösen, indem wir unseren Fokus darauf setzen, was uns alles gelingt. Bei den meisten Dingen, die wir tun, haben wir Erfolg! Und als Versager kann man am Ende nur jemanden bezeichnen, der bei mehr als 50% von allem, was er tut, scheitert. Wenn Du also Angst hast, zu versagen, schau einfach darauf, was Dir über den Tag alles gelingt. Und ich bin mir sicher, dass das weitaus mehr als 50% dessen ist, was Du tust! :-)

Die Angst vor Zurückweisung lässt sich auflösen, indem wir uns bewusst machen, dass Zurückweisung in den allermeisten Fällen auf einem Mangel an Information beruht, die unser Gegenüber über uns hat, und uns deswegen falsch einschätzt. Die Menschen, die uns wirklich so kennen, wie wir sind, lieben uns!

Die Angst, sich zu blamieren bedeutet, dass wir Angst haben, uns lächerlich zu machen. An dieser Stelle ist es wichtig, sich über die eigenen Schwächen klar zu werden. Wenn ich selbst über meine Schwächen lachen kann, kann ich die Menschen jederzeit dazu bringen, mit mir zu lachen statt über mich.

Diese und weitere Ängste, die dem selbstsicheren Auftreten entgegenstehen, kann man auch wunderbar mit EFT (Emotional Freedom Techniques) auflösen, eine Technik, die gerade bei Hochsensiblen besonders gut anschlägt. Was das genau ist und wie das geht, kann man in meinem Artikel EFT – emotionale Freiheit für Hochsensible nachlesen.

Schritt 2: Selbstliebe üben

Die beste Art, zu sich selbst stehen zu lernen, ist, sich in Selbstliebe zu üben. Stell‘ Dir doch einfach einmal die Frage, was Du für einen Menschen tun würdest, den Du von Herzen liebst? Nimm Dir die Zeit, alles in einer Liste aufzuschreiben. Und wenn Du Deine Antworten gesammelt hast, lies sie Dir täglich durch und tue all das für Dich!

Es gibt übrigens einen direkten Zusammenhang zwischen Selbstliebe und Energie. Und je mehr Energie wir ausstrahlen, desto mehr können wir auch andere begeistern und überzeugen. Ich halte Selbstliebe für eine der wichtigsten und heilsamsten Dinge überhaupt. Mehr Übungen zur Selbstliebe kannst Du in meinen Artikeln Hochsensibilität, Selbstliebe und Energie und Entspannung und Selbstliebe: die Metta-Meditation nachlesen.

Schritt 3: Die vier Charisma-Faktoren entwickeln

1. Power

In die eigene Kraft zu kommen heißt, Sicherheit über sich selbst zu gewinnen und auszustrahlen, indem man sich der eigenen Stärken bewusst ist. Ein guter Trick, um bei schwierigen Gesprächen und öffentlichen Reden in die eigene Kraft zu kommen, ist, sich keine Gedanken darüber zu machen, was die anderen von einem denken könnten. Denn je mehr man darüber nachdenkt, wie man auf andere wirkt, desto schlechter wird der Eindruck, den man macht. Stattdessen kann man sich fragen: Wozu bin ich hier? Was will ich erreichen? Was ist nötig zu tun?

2. Präsenz

Präsent ist man, wenn man ganz im Hier und Jetzt ist und sich mit den Menschen, mit denen man spricht, verbindet. Es geht also darum, sich voll und ganz auf die gegenwärtige Situation einzulassen.

3. Leidenschaft

Wenn man für die Sache, für die man eintritt, wirklich brennt, ist man für andere interessant und anregend. Mit Enthusiasmus für eine Sache zeigt man, dass sie wichtig ist und wird ernster genommen.

4. Humorvoll und spielerisch sein

Alle Menschen lachen gern. Wer die Menschen zum Lachen bringt, hat sie automatisch auf ihrer Seite. Auch die eigenen Schwächen lassen sich mit Humor bestens verkaufen. Eine spielerische Herangehensweise bewirkt, dass man bei aller Leidenschaft für eine Sache doch locker bleibt.

Schritt 4: Kongruenz

Kongruenz heißt, dass alles, was man tut, zusammenpasst. Wenn ich beispielsweise etwas entschieden für richtig halte, ist es wichtig, das verbal entsprechend zu äußern. Aber auch im Tonfall meiner Stimme, in meiner Mimik, meiner Gestik und meiner Haltung sollte diese Entschiedenheit zum Ausdruck kommen.

Als Übung dazu kannst Du einfach einmal eine traurige Geschichte auf eine fröhliche Art erzählen und umgekehrt eine fröhliche Geschichte in einer traurigen Weise. Das gleiche kannst Du mit angstvoll/entspannt und langweilig/aufregend wiederholen. Dies ergibt ein gutes Gespür dafür, wie wichtig Kongruenz ist, ohne dass man sich ein gekünsteltes Verhalten aufsetzt.

Fazit: Lasst uns mehr trommeln…

Meine Meinung ist, dass wir Hochsensiblen wichtig für die Gesellschaft sind und dass wir uns mit unseren Sichtweisen, Ansichten, Gedanken, Ideen und Anliegen in aller Deutlichkeit zu Wort melden sollten. Mit unserer Weise des Seins haben wir auf der einen Seite etwas bestimmtes zu bieten, benötigen dafür andererseits aber auch bestimmte Lebensumstände, um dauerhaft leistungsfähig zu bleiben. Dafür lohnt es sich einzutreten, zu unserem Wohl und zum Wohl aller. Wir können und dürfen selbstsicher Auftreten.

Mehr dazu in diesem Buch: Owen Fitzpatrick, The Charismatic Edge: The Art of Captivating and Compelling Communication*

Zurück zu hochsensibel sein

Wie hilfreich war dieser Beitrag?

Klicke auf die Sterne, um zu bewerten:

Durchschnittliche Bewertung 0 / 5. Anzahl Bewertungen: 0

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

* Werbehinweis für Links mit Sternchen

Wenn du ein Produkt über einen mit Sternchen gekennzeichneten Link bestellst, bekomme ich eine kleine Provision. Dies hat keinen Einfluss darauf, wie ich ein Produkt bewerte. Ich empfehle hier nur Dinge, hinter denen ich zu 100 % stehe. Der Preis für dich bleibt selbstverständlich gleich. Vielen Dank für deine Unterstützung!

5 Gedanken zu „In vier Schritten zu einem selbstsicheren Auftreten“

  1. bevor ich mich in die Öffentlichkeit begebe, ist es mit wichtig zu mir selbst gekommen zu sein. Das hat stark mit meinen Glauben zu tun. Mit Gott in Beziehung treten, und in der Nähe Gottes mich selbst finden. Sozusagen in Gott sein und in meiner Mitte sein, weil für mich zusammen gehört.
    Angst zu versagen, in dem ich die Power Gottes dazu nehme gehe ich schon davon aus, das wir das zusammen schaffen werden. Da können mir auch Bedenken hoch kommen, durch Gott fühle ich dann Rückhalt.
    Angst vor Zurückweisung, ich trete innerlich ein Stück zur Seite, so das es mich nicht so hart trifft, mein Rückhalt wird das schon auffangen und was mich doch trifft, da kann ich mich bei meinen Rückhalt gleich ablasten.
    (ich will ja nicht tragen, was mir zu schwer wird)
    Angst sich zu blamieren, ich denke, lieber sich blamieren und mit lachen, als tod sein… Liebe ist für mich ein starker Faktor, da ich erfahre das Gott mich total liebt, finde ich mich für total OK, mit meinen Ecken und Rundungen, innerlich und äußerlich, passt das zu mir.
    Power heißt für mich, die Power Gottes zu empfangen und weiter geben.
    Ich muss ja nicht der Zentralstern sein, um das sich das Universum dreht, aber ich bin auch nicht unwichtig! Wenn ich meine nötigen Pausenzeiten eingehalten habe, dann habe ich für eine angemessene Zeit Power!
    Präsenz, das ist für mich der Blickkontakt, aber auch mein funkeln in den Augen. Total echt und offen auf die Anderen zugehen. Sich ehrlich und offen zeigen, aber auch seine Schwächen nicht kaschieren.
    Leidenschaft, heißt für mich. Voll überzeugt dabei sein und seine Sache Vertreten. Und auch wenn die eigene Sache noch nicht perfekt ist, das offen zu geben und es annehmen.
    Aber für mich hinter her wieder ganz wichtig, Pausenzeiten, Ausruhen runter kommen. Weil ich als Introvertierter, der die extrovertierte Rolle einnimmt dann auf 150% laufe und das so nicht durchhalten kann!
    Aber hinter her ist man doch froh, den eigenen Schatten übersprungen zu haben.

    Antworten
    • Hallo Jens,

      freut mich, dann hast Du ja Deine ganz persönliche Art gefunden, das, was ich im Artikel beschreibe, umzusetzen! :-)

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

  2. Auf den ersten Blick wirkt es vielleicht nicht ganz selbstverständlich, dass Identität etwas mit Selbstbewusstsein zu tun hat. Doch diese beiden Ebenen sind eng miteinander verwoben. Nur wer sich seiner selbst bewusst ist, kann zu seiner ureigenen Identität finden. Sein Leben danach auszurichten, wer man ist, führt schließlich zu einem authentischen und natürlichen Auftreten.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

hochsensibel sein DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner