Hochsensibilität und der Narzissmus unserer Gesellschaft

Früher war es wie verhext. Bei jedem neuen Projekt, das ich begonnen habe, ist es mir so ergangen: Ich startete mit tollen Ideen, viel Begeisterung und Idealismus und hatte anfangs stets viel Spaß. Doch nach einer Weile geschah etwas, das ich mir nicht erklären konnte. Irgendetwas drehte sich. Wo ich anfangs total motiviert war und mit einer freudigen Leichtigkeit gearbeitet hatte, lag plötzlich ein Druck, der sich wie ein Schraubstock immer weiter zudrehte. Und über die Ideen, Ideale und Werte, auf die ich fokussiert gewesen war, schob sich schleichend ein Leistungsdruck, eine Erwartungshaltung von außen, die mir mehr und mehr die Luft zum Atmen raubte. Das Ende war, dass ich die Freude an meinem Projekt verlor und mich davon entnervt zurückgezogen habe. Heute habe ich die Erklärung – es handelte sich dabei um die Strukturen des Narzissmus, denen ich zu Anfang einfach nicht ausgesetzt war, weil das Projekt in diesem Stadium schlichtweg niemanden interessiert hat.

Erst später, als es schon fortgeschrittener war und sich erste Erfolge einstellten, wurde das Projekt gesellschaftlich relevant, und geriet so in den Einfluss des Narzissmus unserer Gesellschaft. Glücklicherweise ist mir das heute bewusst! Jetzt kann ich das, was ich tue, davor schützen und mir so die Freude an meiner Arbeit bewahren. In letzter Zeit ist mir immer deutlicher vor Augen getreten, wie wichtig dieses Thema gerade für hochsensible Menschen ist, weswegen ich den Entschluss gefasst habe, hier darüber zu schreiben – auch wenn es nicht ganz einfach ist, dieses komplexe Thema in einem Blog-Artikel zusammenzufassen.

Was ist Narzissmus?

Es gibt verschiedene Definitionen, was Narzissmus ist. Im Standardwerk Fiedler, Persönlichkeitsstörungen (Weinheim 2007) ist Narzissmus eine Persönlichkeitsstörung unter vielen. Beim Persönlichkeits Stil- und und Störungsinventar (PSSI) von Kuhl und Kazén (Göttingen u.a. 2009), mit dem ich in meinen Coachings öfters arbeite, ist das ebenso. Die Autoren sehen jedoch jedes Phänomen zweigeteilt, einmal in einer gesunden Ausprägung, dem Persönlichkeitsstil, einmal in einer übersteigerten, krankhaften, der Persönlichkeitsstörung.

Hans Joachim Maaz scheint in seinem Buch „Die narzisstische Gesellschaft. Ein Psychogramm“ (München 2014) eine erweiterte Vorstellung von Narzissmus zu vertreten – bei ihm liest sich Narzissmus als eine Art übergeordnete Störung, die allen weiteren zugrunde liegt. Zumindest ist das, was er herausarbeitet, wohl die Ursache für so ziemlich alle Persönlichkeitsstörungen, die, nach meiner Auffassung, ohnehin nur Varianten darstellen, ein und das selbe Leid zu bewältigen. Maaz unterscheidet, ähnlich wie Kuhl und Kazén, in gesunden und krankhaften Narzissmus. Ich werde mich an sein Buch halten, weil seine Auffassungen für diesen Artikel am passendsten sind.

Gesunder Narzissmus

Ein gesunder Narzissmus basiert auf Selbstliebe, die die Grundlage allen Selbstwertgefühls und Selbstvertrauens bildet. Der gesund narzisstische Mensch ruht in sich und schwingt im Kommen und Gehen der eigenen Bedürfnisse, die er angemessen zu befriedigen versteht. [Maaz, Pos. 247]

Selbstliebe erwächst aus der elterlichen Liebe, die man in der frühen Kindheit erfahren hat. Diese Selbstliebe kann im Kind nur entstehen, wenn die elterliche Liebe eine bestimmte Qualität hat, wenn sie auf Zuwendung, echter Einfühlung, Bestätigung und Befriedigung individueller Bedürfnisse des Kindes beruht. Dazu gehört, sich wirklich in die Bedürfniswelt des Kindes einzufühlen und angemessen erfüllend und befriedigend darauf zu antworten.

Der entscheidende Unterschied liegt darin, ob die Eltern wirklich willens und in der Lage sind, das zu tun, oder ob sie eher geneigt sind, dem Kind die eigenen Vorstellungen und Erwartungen, wie es sein soll, zu vermitteln. Leider kommt letzteres viel häufiger vor. Eltern vermitteln ihre Vorstellungen dann über manipulierende Suggestionen, wie Blickkontakt, Mimik, Gestik, Tonfall und Stimmungen, die das Kind viel mehr beeinflussen als gesprochene Worte. [Maaz, Pos. 145f]

Pathologischer Narzissmus

Bei einem Mangel an Selbstliebe gelingt es nicht, authentisch zu sein, d.h. sein Selbst einfach so auszuprägen und zu leben, wie es ist. Man muss selbst-dyston (unecht) reagieren, um die erfahrenen „Defizite“ des Selbst und die vollzogenen Entfremdungen zu schützen und sich stets so zu verhalten, dass die Störungen des Selbst möglichst nicht schmerzen.

Die Störungen des Selbst werden durch besondere Ich-Leistungen gemildert, vertuscht, aber auch besonders hervorgehoben. Man erlebt sich dann als entfremdet, gestresst und ist unzufrieden mit sich und der Welt. Narzisstische Störungen können also als eine verhinderte und eingeschränkte Selbstliebe verstanden werden, die durch besondere Leistungen aufgebessert oder aufgehoben werden soll. [Maaz, Pos. 197-264]

Die Symptome einer narzisstischen Störung

Narzisstisch gestörte Menschen leiden an einem grundsätzlichen Minderwertigkeitsgefühl, das auf unterschiedlichsten Glaubenssätzen beruht, wie z.B.:

  • Ich bin nicht liebenswert.
  • Ich bin nicht gut genug, genüge nicht.
  • Ich bin es nicht wert, habe kein Recht.
  • Ich kann das nicht, schaffe das nicht, bin ein Versager.
  • Ich bin nicht schön genug.
  • Ich habe sowieso keine Chance.
  • Ich gehöre nicht dazu.

Minderwertigkeit und Selbstunsicherheit sind die Folgen früh erlebter Abwertung, Ablehnung und mangelnder Bestätigung durch die Eltern. Dies erschwert, verzerrt und behindert die Ausbildung eines gesunden Selbst. Da diese Selbstbestätigung nicht in ausreichendem Maß erfolgt ist, wird ein solcher Mensch abhängig von äußerer Zustimmung. Er passt sich an, um die Erwartungen anderer zu erfüllen. Dadurch kann aber weder wirkliche Zufriedenheit noch Entspannung entstehen.

Ein narzisstisch gestörter Mensch braucht andere und bringt sie auch dazu, ihn zu bestätigen. Er baut also nicht wirklich eine Beziehung auf, sondern verwendet andere als Selbstobjekt. Wenn das nicht gelingt, gibt er den anderen die Schuld dafür, um die narzisstische Regulation wieder zu sichern. Alles spielt sich zwischen Idealisierung und Entwertung ab. Empathie ist nicht möglich, da ein narzisstisch gestörter Mensch nur mit sich selbst beschäftigt ist, indem er sich ständig darum bemühen muss, den eigenen Selbstliebemangel auszugleichen.

Als Folge kommt es zu einer hohen Kränkbarkeit, denn die Abhängigkeit von der äußeren Bestätigung macht sehr empfindlich. Der narzisstisch gestörte Mensch tut deswegen alles für seine Bestätigung: Anstrengung, Fleiß, Perfektionismus, Leistung, Aussehen, Manipulationen, Suggestionen, Geschenke, Bestechung, Versprechungen… Alles nur um „geliebt“ zu werden mit Tendenz zur süchtigen Steigerung, weil die eigentliche Erfüllung dadurch ja niemals erreicht werden kann. [Maaz, Pos. 273-351]

Größenselbst und Größenklein

Bei einem Mangel an elterlicher Liebe und Bestätigung in den ersten drei Lebensjahren lernen Kinder allmählich, wofür sie doch noch Anerkennung und Zuwendung von den Eltern bekommen. Die erwünschten Verhaltensweisen werden im Lauf der Zeit so selbstverständlich, dass man sie als ureigen empfindet, während man das wahre Selbst nicht mehr wahrnimmt. Das falsche Selbst kann sich in zwei Richtungen entwickeln:

  1. Durch Anstrengung, Bemühen und Leistungen die Erwartungen der Eltern zu erfüllen, was zur Entwicklung eines Größenselbst führt
  2. Durch Schwächen, Fehler, Ungeschicklichkeiten, Hemmungen und Versagen die Sorge der Eltern zu provozieren, was zur Entwicklung des Größenklein führt

Ob man eher ein Größenklein oder ein Größenselbst entwickelt, hängt häufig von äußeren Faktoren ab, z.B. ob Eltern etwas Besonderes aus ihrem Kind machen wollen und es zu Leistungen antreiben, oder ob Eltern selbst in Verzagtheit und Unsicherheit gefangen sind und ihren Kindern auch kein Vorbild sein können. [Maaz, Pos. Pos. 361-393]

Das Größenselbst

Der frühe Mangel an Annahme motiviert zu allen möglichen Anstrengungen, um doch noch die lebensnotwendige Bestätigung zu bekommen. Das ist der Ausgangspunkt für alle großen Leistungen, die nur durch vielfache Entbehrungen erreichbar sind. Weil er Erfolg mit „geliebt werden“ verknüpft, kann sich der Erfolgreiche großartig fühlen. Das bleibt aber immer ein Ersatz, da es ein Erfolg im falschen Leben ist. Alle Siege in einer Leistungsgesellschaft – Lob der Eltern, gute Schulnoten, Karriere, vorderste Plätze im Wettbewerb etc. – lassen sich für die Aufbesserung eines unsicheren Selbst verwenden.

Das Größenselbst erkennt man an seiner unruhigen Getriebenheit, am Stress, an unerreichbarer oder nur ganz kurz anhaltender Zufriedenheit und an schweren Krisen, die schon durch kleinste Misserfolge ausgelöst werden können. Altern oder Einbußen an körperlicher Attraktivität werden zum Drama, der Kampf um Idealnormen immer grotesker. Warenkonsum und überhaupt alle Aktivitäten werden zu Statussymbolen. [Maaz, Pos. 393-418]

Das Größenklein

Größenklein heißt, dass die Selbstabwertung groß ist, eine narzisstische Leistung der Selbstbeschädigung, als Fortsetzung früher Erfahrungen: „Du bist nicht o.k.“, „Du kannst das nicht“, „Du enttäuschst mich“, „Du bist unmöglich, nicht zum Aushalten“, „Was soll bloß aus dir werden“, etc. Das Kind identifiziert sich mit den negativen Zuschreibungen, weil es nicht in der Lage ist, die Gestörtheit seiner Eltern zu erkennen.

Man gibt in der Tiefe den Eltern recht, um die Aggressionen der Eltern zu beruhigen, aber auch als Schutz vor dem unerträglichen Schmerz, der mit der Erkenntnis einhergeht, dass die Eltern einem Unrecht tun. Die Kinder lernen, dass, wenn sie sich nur bedürftig genug zeigen, im Gegenüber Zuwendungsimpulse provoziert werden. Das Größenklein wird durch Helfen gezüchtet, bestätigt und chronifiziert; ein wichtiger Hinweis für alle Helfer!

Die Ausdrucksformen des Größenklein sind Klagen, Jammern und Stöhnen: „Ich kann das nicht“, „Versteh mich doch“, „Ich habe Angst“, „Ich weiß nicht weiter“, „Lass mich nicht allein“ etc. Jeder Erfolg, jede unerbetene Zuwendung sind eine Gefahr für das Größenklein und müssen abgewertet und zurückgewiesen werden. Ein Mensch im Größenklein kann deswegen auch nicht im Mittelpunkt stehen, sich selbst darstellen, sich würdigen lassen und Komplimente annehmen. Jeder Zuspruch wird zur Qual. [Maaz, Pos. 432-466]

Narzissmus in der Gesellschaft

Störungen in der Selbstliebe sind weit verbreitet; sie sind in unserer heutigen Welt ganz „normal“ geworden, so dass im Grunde genommen nur noch extreme Formen als Krankheit wahrgenommen werden. In der Folge kann sich pathologischer Narzissmus auch vollkommen ungehemmt immer weiter verbreiten. Die Abwehr narzisstischer Verletzungen gehört so zur Basis unserer gesellschaftlichen Strukturen. Sie erzwingt massenpsychologische Prozesse, weil die narzisstische Wunde nur im Mitmachen, Dazugehören und durch äußere Anerkennung verhüllt bleibt.

Dies lässt sich auch historisch verfolgen: Die Begeisterung für einen Krieg, Rassenwahn, Völkermorde, das repressive DDR-System oder unser heutiges Gier-Syndrom sind nur denkbar, wenn sich eine Mehrheit der Bevölkerung daran aktiv beteiligt oder solche Entwicklungen toleriert. Und das lässt sich nur als Symptom narzisstischer Abwehr verstehen, denn warum sonst sollte man solche Fehlentwicklungen unterstützen bzw. mittragen.

Diese unbewussten seelischen Verhältnisse steuern das Handeln der Menschen, das die gesellschaftlichen Verhältnisse gestaltet, und zwar politisch, ökonomisch, sozial und kulturell. Durch die auf diese Weise gestaltete Gesellschaft werden die Menschen umgekehrt wieder in ihrer narzisstischen Abwehrnotwendigkeit stabilisiert. Die Wahrheit liegt in den versteckten Motiven des Handelns. Und erst in den späten Folgen des Handelns werden die von den narzisstischen Bedürfnissen geprägten Irrtümer und Lügen erkennbar. [Maaz, Pos. 634-642]

Hochsensibilität und Narzissmus

Narzissmus ist meiner Meinung nach für das Thema Hochsensibilität in zweierlei Hinsicht relevant. Erstens ist es so, dass viele Menschen, die eigentlich eine narzisstische Störung haben, sich für hochsensibel halten, obwohl sie es nicht sind. Sie erleben sich als extrem kränkbar, und dies führt zu der Annahme, besonders sensibel zu sein. Doch Hochsensible sind nicht kränkbarer als jeder andere Mensch auch.

Außerdem sind Menschen mit einer narzisstischen Störung sehr auf andere fokussiert, weil sie deren Anerkennung brauchen. Auch das kann als Hochsensibilität fehlinterpretiert werden. Doch handelt es sich bei Narzissmus eben nicht um eine echte Empathie mit anderen, sondern um eine Abhängigkeit von äußerer Zustimmung und die Fähigkeit, zu erkennen, wie man diese bekommt.

Zweitens sind hochsensible Menschen anfälliger für narzisstische Störungen, weil sie einen Mangel an Liebe und Bestätigung intensiver erleben und mehr darunter leiden. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie weniger Bestätigung bekommen, ist noch dazu höher, weil wir ja eine Minderheit darstellen und es deswegen schwerer haben, uns so zu akzeptieren, wie wir sind.

Es kommt also recht häufig vor, dass Menschen beides sind – sowohl hochsensibel als auch mit einer narzisstischen Problematik behaftet. Ich denke, dass viele Hochsensible mit derartigen Anteilen zu kämpfen haben und schließe mich da auch selbst nicht aus.

Wenn ein hochsensibler Mensch angibt, unter seiner Hochsensibilität zu leiden, leidet er in Wirklichkeit fast immer unter seinen narzisstischen Anteilen. Denn Hochsensibilität ist einfach nur eine Weise des Seins, die genauso ihre Vor- und Nachteile hat wie jede andere Weise des Seins auch. Sie ist nicht mehr oder weniger unangenehm als jede andere menschliche Eigenschaft. Narzissmus hingegen ist extrem unangenehm. Wer seine narzisstischen Anteile überwindet, wird am Ende mit seiner Hochsensibilität prima klar kommen und sie zu schätzen wissen.

Narzissmus überwinden

Maaz meint, dass Narzissmus unheilbar ist und bestenfalls in halbwegs konstruktive Bahnen gelenkt werden kann. Ich vertrete eine andere Auffassung. Nach meiner Erfahrung kann Narzissmus von zwei Seiten her angegangen werden:

Selbstliebe-Übungen

Die Ursache von Narzissmus ist, wie oben bereits beschrieben, ein Mangel an Selbstliebe. Auch wenn man nicht die Möglichkeit hatte, diese seitens seiner Eltern zu entwickeln, kann man das doch später nachholen. Dazu kannst Du Dir ein kleines tägliches Selbstliebe-Programm zusammenstellen, und Dir so nach und nach ein gutes Selbstwertgefühl aufbauen.

Dazu habe ich bereits mehrere Artikel geschrieben. Du findest eine Auswahl an Selbstliebe-Übungen in meinem Artikel Hochsensibilität, Selbstliebe und Energie. Eine Selbstliebe-Mediation findest Du in meinem Artikel Entspannung und Selbstliebe: die Metta-Mediation. Übungen für ein besseres Selbstwertgefühl gibt es in meinem Artikel Hochsensibilität und Selbstwertgefühl. Suche Dir 2-3 Übungen aus, die bei Dir gut funktionieren, und übe sie täglich! 2 x 5 Minuten sind schon sehr heilsam. Mehr ist natürlich super, aber wichtiger ist das kontinuierliche Üben.

Narzisstische Verknüpfungen auflösen

Neben dem täglichen Selbstliebe-Programm kannst Du das Thema auch mental angehen. Wenn Du z.B. etwas unbedingt erreichen willst, obwohl es Dich sehr anstrengt oder gar quält, stelle Dir die Frage, warum Du das möchtest. 5-10 km täglich laufen ist gut für den Körper, ein Marathon ist gesundheitsschädlich. Eine Aufgabe zu übernehmen tut uns gut, aber sich dafür restlos zu verausgaben nicht. Etwas zu tun, das zu uns passt, das uns Erfüllung schenkt, ist gut, aber es überwiegend zu tun, um Anerkennung von außen zu bekommen, ist narzissmusverdächtig.

Wenn Du ein narzissmusverdächtiges Verhalten bei Dir gefunden hast, stelle fest, ob Du dabei irgendwelche Assoziationen hast in der Art „Wenn ich das tue, werde ich geliebt“ bzw. „Wenn ich so bin, bin ich liebenswert“ oder „Wenn ich das tue, dann bin ich anerkannt/kann ich mich anerkennen/habe ich mir etwas bewiesen“. Das sind narzisstische Verknüpfungen.

Löse diese Verknüpfung zwischen dem, was Du tun willst, und der Anerkennung von außen. Irgendetwas zu erreichen, zu sein oder zu scheinen hat niemals etwas damit zu tun, ob man geliebt wird oder nicht, ob man etwas wert ist oder nicht. Sieh, was mit einem für Dich schädlichen Vorhaben passiert, wenn Du es von Deinem Selbstwert abkoppelst: Ist es weiterhin erstrebenswert für Dich? Wenn nicht, herzlichen Glückwunsch! Du hast Stück Deiner narzisstischen Beschränkung aufgelöst. :-)

Ein Beispiel, wie ich eine narzisstische Verknüpfung aufgelöst habe

Ende 2016 stellte ich meine Ernährung um, damit mein hochsensibles Nervensystem besser versorgt wird. Ich nahm mehr Eiweiß und Fett zu mir und achtete dabei auch auf ausreichend Kohlehydrate. Es ging mir mit dieser Ernährung sehr gut, ich konnte meine Aufgaben bewältigen und fühlte mich gekräftigt. Aber ich nahm zwei Kilo zu.

Als ich das feststellte, machte mir das viel mehr aus als ich gedacht hätte. Ich war jedoch absolut nicht dazu bereit, dieses gute Gefühl wieder aufzugeben, nur um wieder abzunehmen. Doch die zwei Kilos nagten und nagten an mir. Ich fragte mich, wie das sein kann, und bemerkte eine narzisstische Verknüpfung.

Meinen Eltern war es immer sehr wichtig gewesen, dass ich schlank war. Meine narzisstische Verknüpfung war: „Ich werde nur geliebt, wenn ich schlank bin.“ Daraufhin erkannte ich, dass mein Körpergewicht in Wirklichkeit gar nichts damit zu tun hat, ob ich geliebt werde oder nicht. Allen Menschen in meinem gegenwärtigen Umfeld ist es von Herzen, ob ich zwei Kilo mehr oder weniger wiege. Das eine hat mit dem anderen schlichtweg nichts zu tun.

Nun fühlt es sich ja wirklich schrecklich an, nicht geliebt zu werden, während zwei Kilo mehr zu wiegen tatsächlich kaum einen Unterschied macht. Als ich diese narzisstische Verknüpfung lösen konnte, spürte ich das ganz deutlich. Ich hatte also in Wirklichkeit gar nicht darunter gelitten, zwei Kilo zugenommen zu haben, sondern unter der Angst, nicht mehr geliebt zu werden. Diese Angst war mir vor meinen Überlegungen nicht bewusst gewesen, und sie löste sich auf, als ich das für mich sortierte und Realität hineinbekam.

Schutz vor dem gesellschaftlichen Narzissmus

Dem gesellschaftlichen Narzissmus ist jeder irgendwo ausgesetzt, ob man will oder nicht. Das erklärt auch mein früheres Problem, dass Projekte, die mir eigentlich am Herzen lagen, irgendwann verbrannt und vergiftet waren, sobald sie mehr Öffentlichkeit bekommen haben. Dies konnte jedoch nur geschehen, weil ich selbst noch narzisstische Verknüpfungen hatte, an denen dieser gesellschaftliche Narzissmus andocken konnte.

Vor dem gesellschaftlichen Narzissmus kann man sich schützen, indem man ein Bewusstsein dafür entwickelt, welche gesellschaftlichen Anforderungen narzisstisch gespeist sind und diesen einen Riegel vorschiebt. Dies ist nur möglich, wenn wir unsere eigenen narzisstischen Verknüpfungen auflösen und damit unsere Angriffspunkte, an denen der gesellschaftliche Narzissmus ansetzt, mehr und mehr beseitigen. Wir dürfen also in dieser Hinsicht ständig dazu lernen. :-)

Bücher zum Thema:

Hans-Joachim Maaz, Die narzisstische Gesellschaft. Ein Psychogramm, München 2014:
Lesenswert, aber bitte schirmt Euch gut vor seinem Pessimismus ab, dass Narzissmus absolut unheilbar ist, der sich leider wie ein Mantra durch das ganze Buch zieht! Mit den von mir genannten Möglichkeiten kann man sehr wohl eine positive Entwicklung erreichen.

Peter Fiedler, Persönlichkeitsstörungen, Weinheim 2007:
Standardwerk, sehr lesenswert, sehr wissenschaftlich; geeignet für die weiterführende Lektüre, wenn Dich das Thema sehr interessiert, Du oder Dein Umfeld evtl. davon betroffen ist.

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22 Gedanken zu „Hochsensibilität und der Narzissmus unserer Gesellschaft“

  1. Herzlichen Dank, liebe Barbara für Deine immer wieder so wertvollen Beiträge. Es ist manchmal gar nicht so einfach den Narzißmus von der Hochsensibilität zu trennen. Du lieferst hier sehr gute Informationen zum besseren Verständnis.
    Ich freue mich auf weitere Beiträge von Dir. Großen Respekt für Deine wundervolle Arbeit. Ich schätze sie sehr.
    In herzlicher Verbundenheit
    Bianca

    Antworten
    • Liebe Bianca,

      vielen Dank für Dein nettes Feedback! Es freut mich sehr, dass mein Artikel Dir hilft, an dieser Stelle besser differenzieren zu können. :-) Und wenn Du Fragen hast, immer gern! :-)

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

  2. …ein Riesen-Thema auch für mich, denn meine Projekte scheitern oft an der „öffentlichen Meinung“. Da hat sich ein gewisser Automatismus eingeschlichen, wie ich glaube zu beobachten. Wäre spannend zu hinterfragen, ob das auch mit der Stellung in der Geschwisterfolge zu tun hat, denn gerade meine ältere Schwester hat eine solche Wirkung auf mich und meine Projekte.
    Frage: woran kann man denn dann erkennen, ob man wirklich hochsensibel ist? Ich bin erst vor relativ kurzer Zeit auf dieses Phänomen gestoßen und spürte eine große Erleichterung, als mir ein Test bestätigte, dass ich höchstwahrscheinlich hochsensibel bin. Hatte ich doch fast 50 Jahre geglaubt einfach „nicht von dieser Welt“ zu sein.
    Nach der Lektüre oben komme ich nun doch wieder zu diesem Schluss, auch wenn ich natürlich in zahlreicher Gesellschaft bin.
    Ein interessantes Buch zu diesem Thema und den gesamtgesellschaftlichen Folgen ist m.E. auch Arno Grüns „Verratene Liebe – Falsche Götter“. Das ist dann vielleicht auch nicht ganz so pessimistisch.
    VG
    Hildegard

    Antworten
    • Liebe Hildegard,

      vielen Dank für Deinen Bericht! Deine Frage, woran man erkennen kann, ob man wirklich hochsensibel ist, ist eine gute Frage. Es gibt nämlich noch keinen validen Test in Deutschland. Den einzigen ernsthaften Anhaltspunkt liefert der Test in Elaine N. Arons Buch „Sind Sie hochsensibel?“, denn dieser ist wenigstens für die USA valide. Danke auch für Deinen Buchtipp!

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

  3. Liebe Anne-Barbara,
    Vielen Dank für diesen tollen, ausführlichen Beitrag!
    auch ich habe mich lange Zeit mit dem Thema Narzissmus befasst und habe auch viele Anteile in mir selbst wieder erkannt. Mit vielen Techniken und dem Nachempfinden von Situationen aus der Kindheit konnte ich mich allmählich davon lösen.
    Dennoch beschleicht mich auch jetzt oft noch das Gefühl, vielleicht eine Kritik der „anderen“ für ein Vorhaben zu bekommen und deswegen lege ich besonders viel wert darauf es gut zu machen. Aber man lernt immer dazu und arbeitet immer weiter an sich.
    Viele Grüße
    Jacqueline

    Antworten
    • Liebe Jacqueline,

      danke für Dein nettes Feedback, und danke, dass Du Deine Erfahrungen mit uns teilst! Ich finde es sehr ermutigend, dass Du es geschafft hast, Dich mehr und mehr davon zu lösen, denn das zeigt wieder einmal, dass es sehr wohl möglich ist. Wichtig ist, dass Du das, was Du tust, aus Deiner Freude heraus machst. Kritik von außen ist ja entweder destruktiv und damit unbrauchbar, oder eben konstruktiv und damit etwas, das uns weiterbringt und woraus wir lernen dürfen… Und jemand, der einen herunterputzt, hat ja einfach nur selbst ein Problem. :-)

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

  4. Liebe Anne-Barbara,
    auch ich möchte mich an dieser Stelle für die immer wieder interessanten und hilfreichen Artikel bedanken.
    Gerade dieser Artikel interessiert mich besonders, da Narzissmus auf vielen Ebenen in meinem Leben wirkt. Du schreibst, dass es Menschen gibt, die sich für hochsensibel halten, aber nur narzisstisch sind. Gibt es einen Weg, herauszufinden, ob ich „nur“ narzisstisch bin oder tatsächlich hochsensibel? Ich bin mir ob meiner Hochsensibilität immer wieder unsicher und zweifle.
    Herzliche Grüße,
    Katharina

    Antworten
    • Liebe Katharina,

      vielen Dank für Dein nettes Feedback und Deinen Bericht!

      Zu Deiner Frage: Zweifel an der Hochsensibilität gehören zur Hochsensibilität dazu. ;-) Nein, im Ernst, ein rein narzisstischer Mensch würde wahrscheinlich nicht an seiner Hochsensibilität zweifeln. Für Hochsensibilität gibt es noch keinen validen Test, aber der in Elaine N. Arons Buch „Sind Sie hochsensibel?“ findet sich ein guter Test, der beste derzeit verfügbare.

      Was narzisstische Anteile betrifft, da gibt es einen sehr validen Test, nämlich das PSSI (Persönlichkeits Stil und Störungsinventar) von Kuhl und Kazén. Diesen gibt es aber nicht im Internet, und er ist auch nicht frei verkäuflich, weil er nur für Therapeuten und Coaches bestimmt ist. Ich habe diesen Test und arbeite hin und wieder damit, weil sich die Frage in manchen meiner Coachings stellt. Wenn Du möchtest, können wir diesen Test einmal machen. Bei Interesse melde Dich einfach unter bei mir.

      Ich hoffe, das hilft Dir erst einmal weiter! Und wenn Du noch Fragen hast, immer gern. :-)

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

  5. Hallo Barbara
    Ich bin durch einen Hinweislink auf Roundof (//roundof.org/) auf diesen Artikel gekommen und habe ihn interessiert gelesen. dabei habe ich einige Übereinstimmungen zu den von Gerald Hüther propagierten Erkenntnissen der Hirnforschung gefunden. in dessen Arbeiten ergänzende Informtionen zu Entwicklung(smöglichkeiten) von Kindern durch/im soziales/n Umfeld (nicht nur Elternhaus) und darüber hinaus auch für Erwachsene enthalten.

    Antworten
    • Hallo Viktor,

      vielen Dank für Deinen Kommentar und die interessante Querverbindung zu Gerald Hüther, den ich bisher noch nicht kannte. Schön, dass die Neurologie hier übereinstimmende Erkenntnisse hat!

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

  6. Liebende Anne-Barbara

    Danke für den erhellenden Beitrag
    Ich habe ihn einem meiner Söhne geschickt zur Familiengrundstruktur
    aufklärend und die eigene Biografie begreifend…

    Heute schrieb ich auf meinem Blog „Das Ego“ zeitgleich
    Dich jetzt erst lesend
    Ich freue mich an Synchronizität

    Dir Joachim von Herzen

    Antworten
    • Lieber Joachim,

      danke Dir für Dein liebes Feedback, das mich sehr freut! :-)

      Ich habe gerade Deinen Blog-Beitrag gelesen, ist ja wirklich exakt das gleiche Thema, nur lyrisch gefasst. Für mich ist das ein Lebensthema, und ich denke, dass es viele Menschen auf die unterschiedlichste Weise umtreibt. Das freut mich sehr, denn ich halte es für sehr wichtig, dass wir Menschen diese Problematik ein Stück weit mehr lösen!

      Und das Thema ist schon sehr alt. Gestern bin ich zufällig wieder über einen Seneca-Brief gestolpert, den ich während meines Studiums einmal übersetzt habe:

      Der Philosoph Seneca, dem vieles, das er sich im Leben gewünscht hatte, günstig, vieles aber schlecht ausging, schrieb, als das Leben sich dem Ende näherte, einem Freund in einem Brief:

      Seneca seinem Lucilius zum Gruß.

      Lass uns aufhören, was wir wollten, zu wollen. Ich erstrebe gewiss, dass ich nicht als Greis dasselbe will, das ich als Knabe gewollt habe.
      Denn immer habe ich geglaubt, dass dies die Arbeit sowohl des Philosophen als auch des Greises ist: den alten Übeln ein Ende zu setzen und vieles dessen, das ich als junger Mann gewünscht hatte, nicht zu wollen.

      Du willst wissen und fragst: „Sind denn diese mir wünschenswerten Dinge gut, so dass ich gut lebe?“

      Ich antworte: Gut leben heißt, gemäß der Natur zu leben.

      Deswegen sind diese Dinge wirklich gut, die die Natur gibt und denen die Vernunft zustimmt.

      Die übrigen (Dinge) sind nämlich nur durch Meinung gut, wie Reichtümer zu sammeln, wie großen Einfluss in der Öffentlichkeit zu haben.
      Diese Bemühungen sind von vielen beneidete; aber wenn man sie richtig und wahr beurteilt, werden sie als gemeine angesehen, nicht als Quellen des Tüchtigen, sondern des Geistes der Verwirrung.

      Immer wird mich nämlich dieser durch die Gunst des Volkes, jene Schar der Abhängigen, bei weitem überwältigen.
      Außerdem begehrt immer der, der viel hat, mehr.

      Wer aber zu viel begehrt, demselben wird schnell die Ruhe des Geistes geraubt: im Glück kommt die Macht (Gewalt).
      Diene nicht dem Glück!

      Diese Knechtschaft ist am Schlechtesten.

      Von all diesen Bemühungen (Leidenschaften) muss der Geist dessen befreit werden, der wirklich frei sein will. Dann endlich führt er das Leben nicht elend, sondern glücklich.

      Diesen erwarten die Ruhe des Geistes und, nachdem die Irrtümer vertrieben worden sind, uneingeschränkte Freiheit.

      Die alte Sitte war, den Briefen hinzuzufügen „Wenn es dir gut geht, ist es gut.“ Jetzt sage ich richtig: „Wenn du philosophierst, ist es gut.“
      Wohlleben ist letztendlich dies.

      Lebe wohl.

      Da steht alles drin, in einem einzigen, über 2000 Jahre alten Brief… :-)

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

  7. Liebe Anne-Barbara,

    Vielen Dank für diesen guten und sehr treffenden Beitrag,
    auch wenn er schon ein Weilchen hier steht und auch der Seneca-Brief ein toller Abschluss ist, will ich das Thema noch einmal aufgreifen.

    Selbst außerordentlich an meiner Hochsensibilität zweifelnd, habe ich so viel Menschen kennengelernt, die Ihre vermeintliche „Hochsensibilität“ sehr stark benutzen (oft sicher unbewusst), um narzisstische Störungen in ein glänzendes Licht zu bringen.
    Ich war viel in Foren und Gruppen unterwegs und stellte fest, dass sie immer Ton angebender wurden.
    Leider auch in Büchern und Veröffentlichungen.
    Das tat schon körperlich weh und ich habe mich abgewandt.
    Nun habe ich meinen Rückzug beendet und möchte gern offensiver und mutiger die Menschen mit hoher Sensibilität stärken.

    Danke an Anne-Barbara, die eine richtig gute Arbeit genau in diesem Sinne leistet.

    Ich wünsche mir, dass auch die Leisen und sehr stark fühlenden Menschen genügend Einfluss beim Thema Hochsensibilität behalten.
    Herzlichst Sabine

    Antworten
    • Liebe Sabine,

      vielen Dank für Dein nettes Feedback, das mich sehr freut! :-)

      Es gibt tatsächlich viele Menschen, die sich als hochsensibel einstufen, in Wirklichkeit aber eher „hochkränkbar“ sind. Dabei hat Hochsensibilität überhaupt nichts mit erhöhter Kränkbarkeit zu tun. Viele echte Hochsensible sind so gut wie gar nicht zu kränken, denn entweder handelt es sich um konstruktive Kritik, die sie nur weiterbringt, oder es handelt sich um jemanden, der ausfällig geworden ist, und das ist ja dann sein Problem und nicht meins.

      Von daher kann ich Dich nur ermutigen, genau für diese Hochsensiblen einzutreten. Es gibt sie wirklich!

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

  8. Anne-Barbara,
    Vielen Dank für dievielen Infos und die bemerkenswerte Offenheit, mit der du deine Erfahrungen teilst.
    Habe einige sehr interessante Anregungen erhalten heute!

    Antworten
    • Liebe Martina,

      vielen Dank für Dein nettes Feedback! Freut mich sehr, dass Du etwas für Dich mitnehmen konntest.

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

  9. Vielen lieben Dank für diesen wichtigen Beitrag zum Thema Hochsensibilität und Narzissmus!

    Ich finde es super dass du endlich auch den hochsensiblen Narzissmus ansprichst, denn ansonsten konnte ich bisher leider nur Artikel über Hochsensible und ihre Anziehung zu Narzissten finden.
    In diesen hat mich gestört, dass Narzissmus und Hochsensibilität so strikt getrennt wurden, so als sei der „böse“ Narzissmus etwas so schlechtes was wir „guten“ Hochsensiblen niemals entwickeln könnten.
    Das war mir zu pauschal und (- die Hochsensibilität) zu verherrlichend.

    Während meiner Depression habe ich einiges an Büchern über Narzissmus gelesen, in erster Linie weil mein Vater einer ist und ich und meine Geschwister sehr darunter litten.
    Sehr schnell habe ich allerdings zu meinem Erstaunen festgestellt (naja seien wir ehrlich – irgendwie ahnte ich es schon davor ein wenig ????), dass ich manche Merkmale selbst in mir trug.
    Das war zuerst einmal sehr unangenehm für mich, dieser Realität ins Auge zu blicken.
    Es hat mir allerdings unheimlich auf dem Weg meiner Genesung geholfen diese narzisstischen Verhaltensmuster aufzudecken, und zu durchbrechen. (Durchbrochen habe ich sie im übrigen genau so wie du es beschreibst – mit Übungen zur Selbstliebe und Aktivitäten die meine Freude an den Dingen, ohne das Erreichen-müssen eines Ziels, förderten).

    Und plötzlich fiel mir dieser mögliche Zusammenhang zwischen HSP und Narzissmus auch sehr stark in meinem Umfeld auf.
    Ich erkannte dass eine sehr große Anzahl derjenigen Personen aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis die hochsensibel sind auch leicht narzisstische bis stark narzisstische Anzeichen aufwiesen. (Mit der Beobachtung dass es bei den Männern meistens der sehr starke, alle Merkmale erfüllender Narzissmus ist, was ich darauf zurückführe dass diese aufgrund von Rollenbildern nach wie vor stärker unter ihrer Hochsensibilität leiden und sich unter Umständen noch schwieriger als wir Frauen tun diese Hochsensibilität mit alledem was sie bedeutet zu akzeptieren. Oder wenn sie sie akzeptieren, durch die negativen Erfahrungen mit dem Umfeld aus der Vergangenheit bereits so sehr in ihrem Ego gekränkt sind, dass sie diese „neugewonnene“ Erkenntnis der Hochsensibilität direkt als Argument für die „Exklusivität“ ihrer Persönlichkeit missbrauchen um so den Narzissmus zu nähren (was natürlich auch bei Frauen der Fall sein kann :))

    Ich fange an mich zu verschachteln – ich danke dir einfach recht herzlich für deinen tollen Artikel, indem du diese Zusammenhänge beleuchtest und Lösungsvorschläge anbietest. Das ist klasse. Weiter so ☺️

    Liebe Grüße
    Elisa

    Antworten
    • Liebe Elisa,

      vielen herzlichen Dank für Dein liebes Feedback und Deinen Bericht! Ich finde es ganz toll, dass Du diesen Weg gehst, und kann Dich nur dazu ermutigen, so weiter zu machen. Das, was Du schreibst, teile ich zu 100%. Meine Meinung ist, dass es keine „Opfer“ von Narzissmus gibt, denn Narzissmus ist eine Strategie, um in einer narzisstischen Umgebung zu überleben. Sprich: Wer unter Narzissten leidet, den erwischt es automatisch selbst. Und der Weg zur Veränderung geht immer nur über die Entwicklung der eigenen Person.

      Vielleicht interessiert Dich noch dieser Blog-Artikel:

      Sind Hochsensible die besseren Menschen?

      Natürlich nicht! ;-)

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

  10. Hallo,

    ich kann Deinen Ausführungen nur bedingt zustimmen. Ein Mangel an Selbstliebe ist nicht automatisch eine narzisstische Störung. Und nicht nur Narzissen streben nach Anerkennung im Außen. Narzissen neigen zur Manipulation, Lügen und zum Intrigieren, Gaslighting etc.
    Sie pojizieren Ihre negativen Eigenschaften auf andere Menschen und machen diese für Ihre eigenen Fehler verantwortlich. Das machen Menschen mit einem niedrigen Selbstwert, der aufgrund z. B. einer Depression herrührt nicht. Sich machen sich selbst schlecht. Das Selbstreflektieren können Narzissen nicht wirklich und eine Konfrontation mit Ihren Fehlern löst oftmals aggressives Verhalten bei Ihnen aus. Deine Definition von Narzismus ist meiner Meinung nach zu schwach definiert.

    Antworten
    • Hallo Linchen,

      Kuhl und Kazèn, die Autoren des PSSI, eines validen psychologischen Tests zum Thema, unterscheiden in Persönlichkeitsstil und Persönlichkeitsstörung. Man kann also durchaus narzisstische Persönlichkeitsanteile haben, ohne dass gleich eine Störung vorliegt. Deine Definition von Narzissmus scheint sich nur auf den Größenselbstnarzissmus als Persönlichkeitsstörung zu beziehen, während die in meinem Blog-Artikel, die übrigens nicht von mir stammt, sondern sich auf Hans-Joachim Maaz beruft, einen renommierten Psychologen und Koryphäe auf diesem Gebiet, weiter gefasst ist. Die Menschen mit niedrigem Selbstwertgefühl, die sich selbst schlecht machen, sind nach Maaz die mit dem Größenklein-Narzissmus. Von daher liegen wir im Grunde genommen nah beieinander, nur dass die von mir vertretene Definition eben mehr Aspekte des Narzissmus mit einbezieht. Ich hoffe, das hilft dir erst einmal weiter, und wenn du noch Fragen hast, immer gern!

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

  11. Hallo,

    vielen Dank für Deinen Artikel. Obwohl ich nicht glaube, dass ich hochsensibel bin, finde ich unzählige Stellen in Deinen Ausführungen und Erläuterungen, die mir „aus der Seele sprechen“, aber auch jene, die mir tatsächlich wertvolle Informationen für meine Situation liefern. Jüngst hatte ich einen Konflikt mit meinem narzisstischen Chef und dessen Sohn, der in meiner Kündigung mündete. Ich bin im Autismus-Spektrum positioniert und ab einem gewissen Punkt fühle ich mich absolut unfähig, die Realität zu verbiegen. Ich kann die Dinge, die zwischen den Menschen geschehen, meist nur so formulieren, wie sie objektiv sind, ohne dass ich das persönlich werte. Und deswegen konnte ich meinem Chef einfach nicht mehr sagen, wie toll er sei. Die Wahrheit ließ sich einfach nicht mehr schönreden: dass er von Technik nicht die geringste Ahnung hat. Und da hat er mich nun eben gekündigt. Ich bin vierfacher Vater und finde, die Gesellschaft hat ein sehr ernst zu nehmendes Narzissten-Problem. Genau, wie Du es schreibst.

    Antworten
    • Lieber Thorsten,

      vielen Dank für dein nettes Feedback! Tut mir leid, dass dein Chef so reagiert hat. Ich drücke dir die Daumen, dass du bald wieder Arbeit findest! Einen Tipp habe ich noch für dich, und zwar ein kleines Kommunikationswerkzeug, wie du solche Kritik bei Ranghöheren anbringen kannst, ohne dass sie es dir übel nehmen:

      Hochsensibel? So behauptest du dich mit deinen guten Ideen

      Das erleichtert dir hoffentlich den Spagat zwischen dem, was du wahrnimmst, und den bestehenden Hierarchien.

      Herzliche Grüße,
      Anne-Barbara

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